Hände weg oder wir heiraten: Roman (German Edition)
meinem bisherigen Leben, die an dieser Stelle zusammenliefen, Stück für Stück entwirrt wurden und sich schließlich völlig auflösten.
Mit einem Mal schaute ich der nackten Wahrheit ins Gesicht. Das Bild von mir selbst, das ich über all die Jahre mit mir herumgetragen hatte, zerfiel in Fetzen von weißem Tüll und landete in derselben Ecke, in der schon das ungetragene Negligé vor sich hingammelte. Mein Hochzeitstraum, so begriff ich erst in diesem Moment wirklich, war die ganze Zeit ein Albtraum gewesen. Ein Kleinmädchen-Irrtum von Liebe, heiler Welt, goldenen Ringen und immer währender Harmonie.
Und jetzt war er endgültig ausgeträumt, in jeder Beziehung. Nicht nur, was Thomas betraf – das hatte ich schon vorher kapiert –, sondern ganz allgemein. Was ich mir seit meinem zwölften Lebensjahr als die Erfüllung all meiner Wünsche ausgemalt hatte, war nichts weiter als schiere Verblendung gewesen. Die dämliche Illusion eines Kindes.
Heiraten, was bedeutete das schon. Eine Show, die Geld kostete. Mehr Schein als Sein und so überflüssig wie ein Kropf.
Stumm schaute ich zu, wie mein heiratswütiger Ex sein Buch bezahlte und ohne einen weiteren Blick zurück mit steifen Schritten den Laden verließ. Als ich selbst ebenfalls mit Bezahlen an der Reihe war, wich ich hartnäckig den neugierigen Blicken der Verkäuferin und der übrigen Kunden aus, anschließend verschwand ich mit größtmöglichem Tempo nach draußen und legte eine angemessene Entfernung zwischen mich und den Buchladen. Von Thomas war weit und breit nichts mehr zu sehen, er musste ebenso schnell das Weite gesucht haben wie ich.
An der übernächsten Ecke schnaufte ich erst mal kräftig durch und versuchte, den Vorfall zu verdauen. Meine innere Erstarrung legte sich allmählich, und ich begann, mir Gedanken über das zu machen, was Thomas, abgesehen von dem Gelaber übers Heiraten, sonst noch gesagt hatte. Hatte er unsere Beziehung wirklich so empfunden? Hatte ich ihm tatsächlich das Gefühl gegeben, sexuell unzureichend zu sein? Hatte er das die ganze Zeit mit sich herumgeschleppt?
Warum, zum Teufel, hatte er dann zugestimmt, als ich ihn vor vier Monaten gefragt hatte, ob wir nicht heiraten könnten? Meine Güte, er hätte doch auch einfach Nein sagen können, oder?
Doch als ich diesen Gedankengang näher sezierte, kam ich darauf, dass es gar nicht so einfach war, Nein zu sagen. Wir hatten uns ja sonst in allen Punkten immer recht gut verstanden. Wir hatten nicht gestritten, uns nicht gegenseitig angeödet und mochten dieselbe Musik und dasselbe Essen. Das war viel mehr, als die meisten Paare für sich in Anspruch nehmen konnten. Im Grunde hätten wir ganz gut zusammengepasst. Nur eben nicht in diesem einen Punkt. Allerdings hätte ich mir nie träumen lassen, dass Thomas je so eine Riesensache daraus machen würde. Er hatte es eben ja beinahe so dargestellt, als hätte ich seinen Schniedel öffentlich verleumdet!
Wie auch immer, ich konnte wohl aus alledem den Schluss ziehen, dass er mit Serena im Bett so eine Art Urknall erlebt hatte. Sie hatte ihm offenbar genau das gegeben, was er bei mir so schmerzlich vermisst hatte – nämlich, ein ganzer Kerl zu sein, vor allem unterhalb der Gürtellinie. Und ihr musste im Gegenzug wohl die gleiche Erkenntnis zuteil geworden sein, denn sonst hätte sie nicht von heute auf morgen beschlossen, ihn zu heiraten.
Ich reckte stur das Kinn nach vorn und marschierte weiter zu dem Parkplatz, wo ich meinen Wagen abgestellt hatte. Sollten sie doch glücklich werden und einander den tollsten Sex aller Zeiten verschaffen! Ich hatte es bestimmt nicht nötig, mich deswegen mit Selbstvorwürfen oder Minderwertigkeitskomplexen zu zerfleischen, schließlich war ich gut im Bett! Wenn Thomas das Gegenteil behauptete, log er ganz einfach! Oder er hatte keine Ahnung!
Nachdem ich meine Tragetaschen auf den Rücksitz geschmissen hatte, ließ ich mich hinters Steuer fallen und blieb reglos sitzen. Plötzlich fühlte ich mich wie ein Luftballon, der an irgendeiner Stelle undicht war und aus dem nun langsam, aber unaufhörlich die Luft entwich.
Wem wollte ich eigentlich länger was vormachen? Der Beweis steckte ja in meiner Handtasche. Hätte ich mir etwa das Buch gekauft, wenn ich es nicht nötig gehabt hätte? Hatte ich denn überhaupt schon mal richtig tollen Sex gehabt, und wenn ja, mit wem? Mir fiel trotz heftigen Nachdenkens niemand ein. Ich war im Bett eine Null. Mein Leben war im Prinzip schon seit Jahren
Weitere Kostenlose Bücher