Haertetest
selbstzufrieden: »Ja, das kann ich tun, wir wollen nämlich gleich zusammen Mittag essen.«
»Aha«, entgegnete ich und dachte mir meinen Teil. Natürlich konnte Jonas essen, mit wem er wollte. Wieso drängten sich mir nur so blöde Bilder auf, in denen er eine schöne Frau mit Weintrauben fütterte und albern mit ihr herumschäkerte, bevor er Champagner aus ihrem Bauchnabel schlürfte?
»Ach so, warte mal, er kommt gerade«, verkündete Jessica.
Es polterte im Hintergrund, Jonas lachte, ich hörte ihn herumrascheln – vermutlich waren das die Tüten mit dem Essen –, dann sagte Jonas: »Hallo?«, und mir fiel wieder ein, warum ich ihn sprechen wollte. Ich wurde Chefin! Also zumindest übergangsweise.
»Hi, Schatz, prima, dass du da bist! Kann ich dich kurz sprechen?« Ich konnte es kaum erwarten, mit ihm alleine zu reden, ohne dass seine Praktikantin jedes Wort mithörte.
»Ja, das tust du ja schon«, sagte er. Das fand ich völlig unnötig. Solche blöden Witze machte er sonst eigentlich nicht. Ich hörte Jessica, warum auch immer, im Hintergrund kichern. Von ihr wollte ich mir aber nicht die gute Laune verderben lassen.
»Nein, Jonas, ich meine alleine!«
»Warte mal. Lass das doch mal! Hör doch bitte mal auf!«
Ich war verwirrt. Wieso, was machte ich denn?
»Was?«, fragte ich.
»Nein, nicht du – Mann, Jessica, bitte!« Jonas lachte. Jessica kicherte.
Was machte diese Frau? Kitzelte sie ihn? Ich versuchte wirklich, gelassen zu bleiben, und visualisierte sie als warzennasige Bodybuilderin mit Haaren auf der Brust, aber bei der Vorstellung, dass mein Mann mit ihr gleich gemeinsam zu Mittag aß, sie sich gegenseitig mit Erdbeeren fütterten und er sich von ihr durchkitzeln ließ, wurde mir ganz schlecht.
Was hätte ich jetzt für eine Zigarette gegeben! Aber ich hatte vor Kurzem ja mal wieder aufgehört. Also, eher gesagt, ich wollte heute aufhören. Und jetzt wollte ich bitte mal in Ruhe mit meinem Mann telefonieren!
Jonas lachte immer noch, Jessica quietschte, und es hörte sich an, als würden die beiden sich kabbeln. Im Telefonhörer knirschte es. Sie klang, ehrlich gesagt, auch nicht wie eine warzennasige Bodybuilderin. Ich versuchte, in Gedanken bis zehn zu zählen. Eins, zwei, drei, vier – Jessica kicherte und kreischte. Fünf. Genervt zickte ich: »Sag mal, Schatz, was macht ihr denn da? Kann ich dich jetzt bitte mal kurz sprechen, und ich meine, alleine! Ich wollte dir was Wichtiges erzählen!«
Jonas hielt offenbar den Hörer zu, ich hörte dumpfes Gemurmel, dann war es still, und er sagte: »So, da bin ich. Boah, die nervt mich. Sie hat die ganze Zeit versucht, dich auf Lautsprecher zu stellen, die ist echt schlimmer als Maja. Ich musste sie fast von mir runterschieben. Die ist echt hartnäckig.«
Er lachte trotzdem noch. So richtig doll genervt konnte er von ihr nicht sein. In mir grummelte es. Ich fühlte, wie sich ein klitzekleiner Wutball aus Feuer formte, der die Freude über den neuen Job verdrängte.
Jonas lachte immer noch vor sich hin. Musste ja wahnsinnig lustig mit seiner tollen Jessica sein. So gut gelaunt war er zu Hause seit Jahren nicht gewesen.
»Maja ist nicht schlimm!«, protestierte ich lahm.
Den Rest, nämlich dass er schlicht und einfach mit seiner Praktikantin Spaß hatte und sie auch noch von sich »runterschieben« musste, verdrängte ich jetzt ganz schnell. Der fiese kleine Feuerball loderte weiter, und ich versuchte mit ein bisschen Smalltalk die Stimmung aufzulockern – zumindest meine –, bevor ich zum Grund meines Anrufs kam. Ich konnte mich gerade nicht mehr so darüber freuen, dass ich Chefredakteurin wurde, wie noch vor fünf Minuten.
»Was gibt’s denn Leckeres bei euch?«
Hoffentlich klang das nicht zu bissig! Nein, er bemerkte den sarkastischen Unterton wohl nicht.
»Nichts Besonderes. Das heißt, ich hab Heringsbrötchen geholt, die darf ich ja zu Hause nicht essen.«
Richtig, aus gutem Grund. Ich liebte Hamburg, aber Fischbrötchen waren mir ein stinkendes Gräuel. Schlagartig war ich auch nicht mehr ganz so eifersüchtig. Der Feuerball in meinem Inneren schrumpfte zu einem glühenden Funken. Er erlosch aber nicht ganz.
Da konnte sogar meine ansonsten ziemlich weit reichende Vorstellungskraft nicht mehr mithalten: Mein Mann schleckt Bismarckhering vom nackten Bauch seiner Praktikantin? Nee, danke. Igitt!
»Ach so.« Meine Gedanken konzentrierten sich wieder auf den Moment. Mein
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