Haertetest
Ich-platze-gleich-vor-Stolz-und-muss-dir-dringend-was-erzählen-Gefühl war wieder da. Ich wusste gar nicht, wo ich anfangen sollte, also schoss ich alles gleichzeitig raus.
»Schatz, ich werde Chefin! Ich bin befördert worden! Amelie ist schwanger! Ich mache ihre Vertretung!«
Ich machte eine bedeutungsvolle Pause. Jonas müsste sich jetzt – wäre er in Gedanken wirklich bei mir – zumindest ein bisschen freuen. Dass er mir erzählte, wie wahnsinnig stolz er auf mich war, erwartete ich ja gar nicht. Aber immerhin hatte ich doch ein kleines Lob verdient, fand ich.
Also erwartungsvolle Stille meinerseits. Stummes Unverständnis seinerseits.
Ich hörte Papier rascheln. Jonas sagte nichts. Er kaute.
»Schatz? Hast du gehört? Ich werde hier Chefin!«
Die Ratte stank vor sich hin, und es regnete immer noch. Jonas reagierte gar nicht so, wie ich das gehofft hatte.
»Wüfe, daff if poll!« Er hatte den Mund voll und kaute geräuschvoll.
»Wie bitte?«
Jonas schluckte und wiederholte: »Süße, das ist toll! Prima! Ich freu mich für dich. Geht das denn als freie Mitarbeiterin?«
»Nein, natürlich nicht. Ich bekomme einen Vertrag.«
Wieso fragte er das?
»Du meinst in Vollzeit? Vierzig Stunden oder mehr? Und was ist mit Maja? Wie willst du das denn schaffen?«
Da hatte er genau meinen wunden Punkt getroffen.
Ich rieb mir die Stirn. Die Ratte stank so furchtbar, dass ich davon Kopfschmerzen bekam. Und hätte Jonas sich nicht für mich freuen und mir seine Unterstützung in jeder Lebenslage zusichern sollen? Ich reagierte schon wieder zickig. Warum auch nicht? Er war mein Mann, und er sollte sich gefälligst für mich freuen und nicht mit seiner doofen Praktikantin rumtüddeln, wenn ich anrief! Und ich zählte auch nicht mehr bis zehn. Völliger Schwachsinn war das, die dumme Zählerei.
»Keine Ahnung! Aber darum geht es doch auch gar nicht! Ich weiß zwar nicht genau, wie, aber ich werde das schon schaffen! Ich arbeite mich eben langsam ein, und dann ist es ja nur für vierzehn Monate! Ich finde, du könntest dich auch einfach mal für mich freuen.« Ich schmollte.
»Das ist ja auch alles schön, reg dich nicht auf. Ich möchte nur nicht, dass du dich übernimmst. Du weißt anscheinend nicht, wie anstrengend das ist, wenn man die ganze Woche richtig arbeitet.«
Was sollte das denn jetzt heißen? Richtig arbeiten? Als ob ich nicht die ganze Woche richtig arbeiten würde! Wer hatte denn den ganzen Tag Maja, den Haushalt und den Job? Und er amüsierte sich im Theater mit seiner Praktikantin!
Er kaute wieder. Wenigstens aß er seinen ekligen Hering jetzt mit mir am Telefon und konnte sich dann gleich wieder in die Arbeit statt auf Jessica stürzen. Mann! Wieso meinte er denn, ich würde nicht »richtig« arbeiten? Natürlich stimmte das im Grunde, wenn er mit »richtiger Arbeit« eben Büroarbeit meinte. Aber die vierzehn Monate würde es schon gehen, die würden sich prima in meinem Lebenslauf machen, und ich hatte wirklich Lust, hier etwas zu verändern. Ich war immer nur freie Mitarbeiterin gewesen, beim Radio, beim Fernsehen, jetzt im Print-Bereich, als Chefredakteurin hätte ich eine wenn auch befristete, aber vertraglich gesicherte Festanstellung, und wer weiß, was mir das letztendlich für die Zukunft brachte!
Ich war so enttäuscht, dass Jonas mich nicht mit Glückwünschen überschüttete, sondern mir im Gegenteil die negativen Seiten aufzählte.
»Du, Maja würde das wohl auch überleben. Sie ist doch, wenn ich arbeite, sowieso in der Kita.«
Warum konnte er sich denn nicht wenigstens ein bisschen freuen? Oder stolz sein?
»Schatz, hier brennt die Hütte. Ich muss aufhören. Lass uns wann anders weiter darüber sprechen.«
»Und was ist mit unserem Termin morgen Abend?«, rief ich, bevor er einfach auflegen konnte.
»Was für ein Termin?«
»Du weißt schon …« Mir war das jetzt unangenehm, es standen ja bestimmt Leute in oder vor seinem Büro, die das nichts anging.
»Nein, ich weiß von nichts.«
Im Hintergrund hörte ich laute Männerstimmen aufgeregt diskutieren: »Aber ich wollte doch …« – murmel, murmel – »Wie konntet ihr denn!« – »Das wird viel zu teuer!« – »Habt ihr sie noch alle? Freitag ist … und Samstag die Premiere!« – murmel, murmel, Stimmengewirr.
Jessica hörte ich nicht, die hatte sich entweder stumm geschaltet oder war irgendwo Kaffee trinken gegangen. Trotzdem, das konnte doch nicht sein. Hatte Jonas es wirklich
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