Haertetest
das gut konnte.
Mir wurde richtig mulmig zumute. Aber wenn ich Amelie jetzt in den Rücken fiel und vor allen Kollegen zugab, dass ich das nicht packte, konnte ich gleich meine Sachen packen.
Dann war ich nicht mehr frei wie freie Mitarbeiterin, sondern so was wie vogelfrei.
Und meinen Job wollte ich schon ganz gerne behalten. Eigentlich hätte ich es mir ja denken können, ärgerte ich mich. Wenn ich schon die Redaktionsleitung übernahm, dann wohl auch Amelies andere Aufgaben. Aber warum machte es nicht Eva, die Ziege aus dem Marketing? Sie sah mich auch ziemlich biestig an, so als hätte ich ihr etwas weggenommen.
Trotzdem lächelte und nickte ich in die Runde und tat so, als hätte ich das natürlich alles vorher gewusst. Dass ich Amelie vielleicht einen kleinen Moment etwas böse anfunkelte, hatte hoffentlich niemand bemerkt.
Herr Klawes ergriff noch einmal das Wort: »Frau Winter, vielen Dank an dieser Stelle und für Sie und Ihre Schwangerschaft auch alles Gute!«
Tanja stupste mich an. Mit großen Augen fragte sie: »Hast du das gewusst?«
Gemurmel wurde laut. Amelie war wirklich schwanger? Von wem? Und warum? Habt ihr das gewusst? Bald wurde klar, dass ich als Einzige davon gewusst hatte. Und dass ich es für mich behalten hatte. Immerhin einen ganzen Tag. Ich hatte wirklich allen Grund, stolz auf mich zu sein. Und den Rest würde ich auch noch schaffen. Irgendwie.
»Was sollst du?«, schrie Jonas ins Telefon. Im Hintergrund röhrten laute Maschinen, er befand sich in der Schlosserei des Theaters. Überraschenderweise war er mal an sein Handy gegangen, sonst vibrierte es meist nur in seinem Rucksack vor sich hin, weil er vergaß, es in die Hosentasche zu stecken. Dabei hatte er mir vor Jahren angeboten, immer für mich erreichbar zu sein.
Ich hatte mich auf den Parkplatz verzogen, um in Ruhe telefonieren und rauchen zu können. Erst wenn ich Jonas von der Sitzung erzählt hätte, würde ich mich mit der zusätzlichen Aufgabe abfinden.
Was erwartete ich eigentlich von ihm? Gestern hatte er mir nicht gerade enthusiastisch gratuliert, und wenn er erfuhr, dass hinter Amelies Job doch mehr steckte, als ich bisher angenommen hatte, würde es sicher nicht gerade besser. Aber ich hatte einfach Sehnsucht nach ihm, nach seiner Stimme und musste ihn dringend sprechen.
Schnell erklärte ich ihm, dass Amelie mich als neue Chefin vorgestellt hatte, dass alle sich für mich gefreut hatten und dass ich mich da schon einarbeiten würde. Wenigstens wussten jetzt alle, dass Amelie schwanger war.
Er blieb weiterhin distanziert. Außer »hm-hm« und »du musst das ja selber wissen« sagte er nicht viel. Jetzt musste ich ihm nur noch schonend beibringen, dass ich ihn gleich im Theater besuchen würde. Im Hintergrund wurde es wieder lauter. Er lief wohl irgendwo in den dunklen Katakomben des Theatergebäudes herum.
»Schatz, sag mal, was hältst du eigentlich davon, wenn ich gleich für ’nen kurzen Kaffee zu dir komme? Vielleicht magst du mir ja auch mal deine Praktikantin vorstellen?«
»Was? Sophie, ich hör dich so schlecht!«
Jetzt hatte wieder der Höllenlärm begonnen.
»Was willst du bestellen?«, schrie Jonas.
»Nein, VORSTELLEN , ob du mir nicht Jessica mal …«
Weiter kam ich nicht.
»Schatz, Süße, es tut mir so leid, ich muss aufhören. Hier stehen schon wieder hundert Mann und belagern mich.« Er lachte, klar, er war ja auch der lustige Sonnyboy, alle mochten ihn, und er war immer für alle da. Nur nicht für mich!
»Ja okay, ist nicht so schlimm!«, schrie ich ins Handy. Und murmelte ganz leise ins Rauschen der Maschinen: »Nee, macht ja echt nichts, du doofer Arsch.« Dann fiel mir noch was ein, und ich schrie wieder: »Schatz? Was ist denn mit heute Abend? Wir wollten doch kuscheln!«
Eine vorübergehende Passantin mit Hund sah mich pikiert an.
»Was? Heute Abend?« Es wurde wieder leiser um ihn herum. »Heute Abend kann ich nicht. Wir bereiten doch das Stück für Berlin vor, das weißt du doch!«
Häh? Nee, wusste ich nicht.
»Was heißt das?«
»Das heißt, dass ich hier mitten in der Konstruktion für ein wichtiges Gastspiel feststecke. Samstag hat … in Berlin Premiere, ich hab’s … auch … einfach, es … oder …« Ich hörte ihn nicht mehr, die Verbindung wurde schlechter.
»Hallo?«, jaulte ich in den Hörer und hüpfte ein Stück zur Seite, um zu prüfen, ob es dadurch vielleicht besser würde. Nix.
»Jonas!«, schrie ich ins Telefon.
»Jessica, warte
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