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Härtling, Peter

Härtling, Peter

Titel: Härtling, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hölderlin
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Kopfschütteln zwingt er sich, zu schweigen.
    Bei zwei Leuten fragt Sinclair vergebens nach einem Zimmer.
    Du wirst nichts finden, sagt Hölderlin.
    Er hört nicht zu, wie Sinclair und der Mann miteinander verhandeln.
    Ist ihr Freund krank, fragt der Mann.
    Nein. Er hat eine längere Reise hinter sich. Er braucht nichts als Ruhe.
    Die kann er bei uns haben.
    Wird der Herr Magister sich für längere Zeit in Homburg aufhalten?
    Ja.
    Dann verlange er fünfzig Gulden fürs Jahr.
    Wieviel voraus?
    Die Hälfte.
    Sinclair verspricht ihm, das Geld am nächsten Tag zu bringen.
    Das ist der Glaser Wagner, sagt Sinclair.
    Wagner führt sie in das Zimmer. Es liegt im Parterre und zum Garten, »ich wohne gegen das Feld hinaus, habe Gärten vor dem Fenster und einen Hügel mit Eichbäumen, und kaum ein paar Schritte in ein schönes Wiestal«. Der Hauswirt will Hölderlin erklären, wo er die Küche finde, den Abtritt, doch der winkt ab: Ich werde mich schon zurechtfinden. Nun möchte ich alleine sein.
    Er zieht einen Stuhl ans Fenster, setzt sich, achtet nicht auf Sinclair und Wagner.
    Als Sinclair anderntags zu einem kurzen Besuch kommt, er wolle ihn nicht stören, trifft er ihn so an, wie er ihn verlassen hatte. Das Bett ist unberührt.
    Hast du dich nicht schlafengelegt?
    Ich habe nachgedacht und ich habe an nichts gedacht. Vielleicht hab ich auch ein wenig geschlafen. Es ist ruhig hier und der Blick gefällt mir.
    Soll ich dich zum Essen abholen?
    Nein. Ich danke dir.
    Es kommt Sinclair vor, als warte er auf etwas.
    Willst du heute Abend zu mir kommen?
    Laß mir Zeit.
    Er wartet, wartet auf nichts.
    Wagner bringt ihm Brot und einen Krug Apfelwein, wagt aber nicht, ihn anzusprechen.
    Ich fürchte, sagt er zu Sinclair, der sich bei ihm nach Hölderlins Befinden erkundigt, ohne nach dem Freund zu sehen, ich fürchte, daß er schreien könnte, wenn ich ihn anrede.
    Er hat noch nicht ausgepackt. Er packt aus, legt die Kleider in den Schrank, stellt die Bücher aufs Fensterbrett. An diesem Abend legt er sich schlafen. Er steht früh auf, wartet.
    Gegen Mittag bringt ein Bote, von Sinclair weitergeschickt, ein Päckchen, in dem er einen Beutel Tabak, »Posselt’s Annalen« und einen Brief von Henry findet. Nichts von Susette. Sie wird ihm nicht schreiben dürfen. Sie hat etwas gesagt, das sie nicht hat sagen wollen. Sie wird Zeit brauchen.
    Henry schreibt unter dem Datum des 27. September 1798 (da war er zwei Tage aus dem Haus): »Lieber Hölder! Ich halte es fast nicht aus, daß Du fort bist. Ich war heute bei Herrn Hegel, dieser sagte, Du hättest es schon lange im Sinn gehabt … Der Vater fragte bei Tische, wo Du wärst, ich sagte, du wärst fort gegangen, und Du ließt Dich ihm noch empfehlen. Die Mutter ist gesund, und läßt Dich noch vielmals grüßen, und Du möchtest doch recht oft an uns denken, sie hat mein Bett in die Balkonstube stellen lassen und will alles, was Du uns gelernt hast, wieder mit uns durchgehn. Komm’ bald wieder bei uns, mein Holder; bei wem sollen wir denn sonst lernen?«
    Diese liebe Stimme schmerzt ihn derart, daß er, den Brief in der Hand, aus dem Haus auf die Wiese läuft, wo er sich allmählich beruhigt. Er wird dem Buben gleich via Hegel schreiben, um auch Susette Nachricht zu geben. Damit diePost rascher sei, entschließt er sich, nach Frankfurt zu Hegel zu gehen.
    Hegel, bei dem er sich nicht lange aufhält, versichert ihm, Henry den Brief bei dessen nächster Aufwartung zu geben.
    Hast du gehen müssen?
    Ja.
    Man redet viel in der Stadt über eure Geschichte.
    Ich kann’s mir denken.
    Bleibst du in Homburg?
    Eine Weile. Dann will ich weiter. Ins Ausland.
    Auf dem Rückweg, abends, geht er an dem Haus vorüber. Die Laterne unter den hohen Bäumen brennt schon. Das Haus liegt still.
    Von Henry hört er nichts mehr. Durch Susettes ersten Brief erfährt er, weshalb: »Jetzt bekam Henry Deinen Brief, welcher mich sehr aufrichtete, ich hatte immer nur Deine neue Freyheit, und Unabhängigkeit vor Augen, Dein häuslich Leben Deine stillen Zimmer und Deine grünen Bäume, am Fenster, Deinen Brief, diesen lieben Trost behielt ich aber kaum eine Viertelstunde, indem Henry ihn mir sehr gewissenhaft zurück forderte, um ihn zu zeigen, und so bekam ich ihn nicht wieder. Ich weis nicht was Henry bey dieser Gelegenheit, alles verbothen wurde, ich fand ihn aber nach her sehr verändert, und er scheute sich Deinen Nahmen zu nennen. Du kamest nach F… und ich sah Dich nicht einmal von weitem, das war mir

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