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Härtling, Peter

Härtling, Peter

Titel: Härtling, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hölderlin
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Autenrieth und Fink. Die Auseinandersetzung war öffentlich. Er war, gegen seinen Vorsatz, sehr aufgeregt. Hegel mußte ihn beruhigen. Außerdem brachte die Prüfung eine Menge Ausgaben mit sich, das Geld fehlte ihm, und er hatte die Mutter um Hilfe bitten müssen.
    Ihr Professor war Bök. Sie schlugen sich offenbar gut. Zwei Wochen später disputierte die ganze Promotion mit dem Ephorus Schnurrer über die Apostelgeschichte und über die Psalmen. Schnurrer hatte die Eigenart, nicht den Studenten die Verteidigung der Thesen zu überlassen, sondern höchst eigen sich einzumischen und seine Ansichten zu »defendieren«.
    Beim folgenden »Thesenschmaus«, zu dem, damit er halbwegs reichlich ausfalle, die Stipendiaten aus eigener Tasche beisteuern mußten, hatte er sich betrunken.
    Längst waren sie geübt in der Verteidigung von Thesen. Fast täglich hatten sie anzutreten. Die Thesen Röslers, Pfleiderers, Bloucquets.
    Karl Reinhard, der große Anhänger der Französischen Revolution und später Diplomat Napoleons, einer der Vorgänger Hölderlins am Stift, hat die Plage anschaulich wie kein anderer beschrieben: »Zwanzig bis dreißig Kandidaten stehen vier Stunden lang in einer dreifachen Reihe auf dem Katheder aneinandergereiht, wie Ruderknechte und fächeln sich die Langeweile mit dem Bogen Papier, auf dem die Thesen gedruckt stehen.«
    Hast du die Geschichte vom Conz gehört?
    Welche? Der macht viele Geschichten.
    Sie hätten ihn im Wald bei Bebenhausen getroffen, er habe sie nicht wahrgenommen, denn er habe lauthals mitden Göttern geredet über das gesegnete Dasein auf den Inseln.
    In dem dicken Kerl steckt eben doch ein Seher.
    Am 22. September wurde die Magisterwürde an seine Promotion feierlich verliehen. Die Einladung dazu war in der Aula öffentlich angeschlagen. Schaulustige waren erwünscht, wenn Professoren, Repetenten und Studenten in feierlichem Ornat in die neue Aula einzogen. In der Reihenfolge, die ihnen die Zeugnisse vorschrieben. Renz wieder als erster. Hölderlin, der beiden Stuttgarter wegen, als achter. In seinem Lebenslauf für die Promotionsliste hatte er den »zweiten Vater« nicht erwähnt, jedoch Kraz, der mittlerweile Pfarrer in »Supra Ensingensi«, in Oberensingen, war und den einstigen Helfer, Köstlin. Die Ersatzväter drängten in seinem Gedächtnis nach vorn.
    Die Prüflinge hatten es hinter sich. So entspannt wie sie waren, ergriff sie nun doch die Feierlichkeit.
    Jetzt rührt’s mi doch.
    Sei still, Fink, schwätz net.
    Sie werden einzeln aufgerufen, erhalten ihren Magisterbrief und werden, nach Vorschrift, in die Promotionsliste eingetragen.
    Der Magister Hölderlin.
    Er wird den Titel selten gebrauchen.
    Und wenn er als Magister angeredet wird, untersagt er’s mitunter. Das habe keine Bedeutung.
    Später, in seinem Turm, war ihm die Anrede Bibliothekarius die liebste.
    Die erste, die schwierigste Stufe war genommen. Nach den Ferien wird die Theologie in der Lehre den Vorrang haben. Andererseits ist ihnen als Magister mehr Freiheit gewährt.
    Bist du fertig, fragt er den noch schlaftrunkenen Bilfinger, hast du gepackt?
    Es ist Tau gefallen. Die Luft ist feucht. Von Neuffer und Magenau hatte er sich verabschiedet. Hegel hatte sich ihm zuerst anschließen wollen, dann aber doch von einem Wagen erfahren, der ihn anderntags nach Stuttgart bringen könnte, zu einem annehmbaren Preis. Sie gehen über den Hof, durchs Tor, wo sie sich sonst vor gemeinsamen Ausflügen versammeln.
    Unterwegs, auf dem Weg über Lustnau durchs Neckartal, reden sie kaum miteinander. Bilfinger ist, seitdem Hölderlin sich von ihm abgewandt und den Aldermännern angeschlossen hat, verstimmt geblieben.
    Auf der Neckarbrücke vor der Stadt fragt er Bilfinger, ob er sich nicht bei einem Vesper erholen wolle, auch die Familie werde sich freuen, die Mutter, Karl und Rike, aber Bilfinger schlägt die Einladung aus. Die Zurückhaltung des alten Freundes schmerzt ihn.
    Er muß von der Prüfung, der Magisterfeier erzählen. Alle sind neugierig. Köstlin ist zu Gast. Hölderlin überbietet sich im Ausschmücken der verachteten Prozeduren. Das Gelächter spornt ihn an.
    Er habe die Angelegenheit wohl nicht übermäßig ernst genommen.
    Doch doch, nur müsse man ihm schon den Spaß erlauben.
    Wenn’s dem Herrn Magister behagt.
    Laß Er doch die Anrede bitte, Herr Diakonus, für Ihn bin und bleibe ich der Fritz.
    Den größten Teil seiner Zeit verwendet er für Karl, der inzwischen als Skribent am Rathaus zu arbeiten

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