Häschen in der Grube: Roman (German Edition)
glättete sich, und sie bekam wieder ihre normale blasse Hautfarbe. Die Teetasse ruhte fest in ihrer Hand, und wenn sie die Tasse zum Mund führte, waren die Bewegungen ruhig und konzentriert. Sie strahlte eine Entschlossenheit aus, die ebenso erschreckend wie imponierend war.
Im Wartezimmer der Notaufnahme des Krankenhauses roch es nach Reinigungsmitteln, Abfluss und Schweiß.
Sie mussten eine Stunde warten, bis sie an der Reihe waren und das Untersuchungszimmer betreten konnten. Emma blieb im Wartezimmer, Annika begleitete Julia zur Ärztin, die sich als Elisabeth Klinga vorstellte.
»Und was führt dich zu mir?«
Sie lächelte Julia freundlich an, die schaute zu Boden. Sekunden des Schweigens verstrichen, und Annika wollte gerade das Wort ergreifen, als Julia leise zu erzählen begann.
»Ich erinnere mich nicht mehr genau. Außer dass es wehtat und mir übel war. Er hat mir etwas zu trinken gegeben, es schmeckte eklig, tat aber gut. Dann meinte er, wir sollten in den Park auf der anderen Seite der Straße gehen und da oben auf dem Klettergerüst …«
Elisabeth Klinga schaute sie ernst an, nahm ihre Brille ab und legte sie vor sich auf den Schreibtisch.
Während ihrer zwanzig Jahre als Ärztin hatte sie einige Frauen gesehen, die schlimme Dinge erlebt hatten, an die sie sich lieber nicht erinnern wollten. Sie wusste, dass sie bestenfalls noch Fragmente berichten konnten, während die Verletzungen eine deutlichere Sprache sprachen. Scham und Schuldgefühle waren oft lähmend.
»Wart ihr bei der Polizei?«
Annika nickte und richtete sich auf.
»Ja, wir waren noch heute Nacht dort. Aber der Polizist meinte, dass es vermutlich nicht für eine Anklage reichen würde.«
Die Ärztin seufzte.
»Diese inkompetenten Menschen machen mich noch wahnsinnig! Aber leider ist das Teil unserer Wirklichkeit, nur sehr wenige Fälle gelangen zur Anklage.« Sie wandte sich an Julia. »Ich möchte dich auf alle Fälle gynäkologisch untersuchen. Nur um zu sehen, dass du keine Verletzungen hast.«
Julia schaute immer noch zu Boden.
»Bist du schon einmal bei einer gynäkologischen Untersuchung gewesen?«
Julia schüttelte den Kopf.
»Ich erkläre genau, was ich mache, es ist ein bisschen ungewohnt, aber ich verspreche dir, dass ich sehr vorsichtig sein werde.«
Elisabeth strich Julia über den Kopf und zeigte ihr, wo sie sich hinter einem Vorhang ausziehen konnte.
Ungeschickt und widerwillig kletterte sie auf den gynäkologischen Stuhl und legte die Beine in die seitlichen Stützen. Annika stellte sich neben sie und nahm ihre Hand. Julia starrte an die Decke, Annika drückte ihre Hand und sagte:
»Julia, ich bleibe bei dir!«
Eine kurze Sekunde lang schaute Julia sie an, dann starrte sie wieder an die weiße Decke. Gesicht und Körper entspannten sich. Sie verschwand in einer geheimen Welt, die nur ihr gehörte.
Elisabeth zog die Gummihandschuhe über und legte vorsichtig eine Hand auf Julias Bauch.
»Gut, du bist entspannt, dann ist es nicht so unangenehm. Ich führe jetzt eine Hand ein und untersuche dich.«
Julia zuckte ein wenig, als Elisabeth die Untersuchung begann.
Annika streichelte vorsichtig Julias Handrücken, aber außer dem kleinen Zucken zu Beginn lag Julia ganz still.
Elisabeth sprach mit eine beruhigenden Stimme.
»Ich verstehe, dass du Schmerzen hast. Hier sind geronnenes Blut und kleine Risse. Aber du scheinst gut zu heilen, und ich verspreche dir, bald tut es nicht mehr weh. Ich werde dir Schmerztabletten und ein Schlafmittel geben, damit du dich erholen kannst.«
Sie schwieg und runzelte die Stirn, die Lampe war auf Julias entblößten Unterleib gerichtet. Sie schaute konzentriert, dann blickte sie auf und sah Julia an.
»Hm. Julia, du bist dreizehn, wenn ich richtig gelesen habe?«
Julia machte kein Zeichen, dass sie die Frage gehört hatte, aber Annika nickte.
»Sie ist im Mai dreizehn geworden.«
Elisabeth hatte immer noch die besorgte Falte auf der Stirn und untersuchte Julia weiter.
»Julia, ich muss dich etwas fragen. Julia, hörst du mich?«
Julia zuckte zusammen und schaute Elisabeth an.
»Ja?«
»Bist du vorher schon sexuell aktiv gewesen?«
Julia schüttelte den Kopf. Elisabeth schaute sie nachdenklich an und half ihr dann, die Beine aus der erniedrigenden Stellung zu nehmen. Sie setzte sich zu ihr.
»Hat jemand etwas Sexuelles mit dir gemacht, gegen deinen Willen, vor gestern Abend?«
Julia starrte auf einen Punkt irgendwo in der Ferne und nickte beinahe
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