Häschen in der Grube: Roman (German Edition)
das protzige Zeitungshaus kommen. Es war ein großes, altes Gebäude, und Annika hielt Emma die schwere Tür auf.
Gunnar Alm kam ihnen im Flur entgegen, er rauchte und dankte ihr begeistert.
Sein Blick suchte den ihren, die Augen strahlten. Es war nicht ganz klar, ob Annika seinen Enthusiasmus nicht bemerkte oder ob sie ihn zu ignorieren versuchte.
»Deine Mutter ist eine richtiges Talent!«, sagte er zu Emma und nahm nur ungern seinen Blick von Annika. Fasziniert beobachtete Emma, wie ihre Mutter ausnahmsweise verlegen wurde, und sie erkannte in diesem Moment, wie wichtig ihr das Schreiben war.
»Schöne Weihnachten, Gunnar! Und grüß Helena von mir!«
»Gerne! Gleichfalls! Und dann sprechen wir uns nach Neujahr wegen des neuen Textes, auf den ich mich schon freue!«
Das Versprechen, dass sie weiterhin Aufträge bekommen würde, machte Annika so glücklich, dass sie Gunnar zulächelte und ihm eine Kusshand zuwarf.
Sie gingen schweigend durch die verschneite Stadt nach Hause. Es war schon fast dunkel, obwohl es erst Nachmittag war, und wäre da nicht der weiße Schnee gewesen, der dick auf Straßen und Bäumen lag, wäre es stockdunkel gewesen.
Gisela stand atemlos an der Tür, als sie kamen. Sie schaute verwirrt, ungekämmte Strähnen hingen ihr ins Gesicht.
»Ich habe gerade erfahren, dass Carl bei der Polizei war und verhört wurde.«
Die Angst leuchtete aus ihren Augen: Annika nahm ihre Hand. Ein leichtes Zittern verriet, wie erregt Gisela war.
»Verstehst du? Carl musste zur Polizei, er war bestimmt außer sich. Wenn ich mir das vorstelle, du mein Gott!«
Der Staatsanwalt hatte angerufen und berichtet, dass sie ihn zum Verhör geladen hätten, und dann hatte er noch gesagt, er habe keine große Hoffnung, dass dies zu etwas führen würde. Solange Carl nicht ganz oder teilweise gestand, waren die Beweise nicht ausreichend für eine Anklage.
»Mach dir keine Sorgen, es ist ja schon etwas, wenn er den Ernst der Angelegenheit erkennt, auch wenn es nicht zu einer Anklage kommt. Das geschieht ihm recht!«
Annika lächelte sie an, aber Gisela konnte das Lächeln nicht erwidern. Sie kannte Carl zu gut und wusste, dass er sie damit nicht durchkommen lassen würde.
»Ich wünschte, ich könnte so gelassen sein wie du, aber du kennst Carl nicht.«
»Nein, das stimmt, aber wenn er etwas unternimmt, fällt es doch nur auf ihn zurück.«
Gisela seufzte, ihre Hand zitterte, als sie die Kaffeetasse zum Mund führte.
»Er ist schlau, natürlich macht er nichts, was auf ihn zurückfallen könnte.«
Es war fünf Uhr nachmittags, Gisela hatte eine Hackfleischsoße und Spaghetti gemacht. Annika fand, damit war die Entscheidung gefallen. Sie stand auf, holte eine Flasche Rotwein und schenkte zwei Gläser ein.
Gisela nahm das Glas dankbar entgegen, und schon bald wärmte der Alkohol ihren Körper und schickte die Angst wieder ein paar Stunden in die Ferien.
Kleine, beinahe unsichtbare Zeichen, so minimal, dass man sie kaum bemerkte.
Ein Kaugummi im Schloss, der Schlüssel blieb stecken, und Annika brauchte fast eine Stunde, um das Schloss zu reinigen und aufschließen zu können. Anrufe an drei Abenden hintereinander, der Anrufer legte auf, sobald jemand antwortete, die Zeitung war nicht im Briefkasten, eine zerschlagene Lampe am Hauseingang. Ganz kleine Ereignisse, die man trotzdem irgendwann nicht mehr übersehen konnte.
Deshalb war Annika auch nicht besonders erstaunt, als eines Morgens ihr Fahrrad einen Platten hatte.
Am nächsten Tag lag ein leerer Briefumschlag im Flur unter dem Briefschlitz, adressiert an Annika Lindberg, aber ohne Briefmarke. Sie schaute den nichtssagenden Umschlag ohne Absender oder Inhalt an, zeigte ihn Gisela, die lachte nur, meinte, da sei jemand sehr gestresst gewesen beim Schreiben der Weihnachtskarte.
Das Telefon klingelte mittlerweile jeden Abend. Aber der Anrufer legte nicht mehr gleich auf, man hörte ein schweres Atmen.
Eines Abends ging Emma dran. Es war erst ein paar Sekunden still, dann wechselte das Atmen in leises Lachen. Sie legte auf und lief in ihr Zimmer.
Annika folgte ihr, setzte sich neben sie aufs Bett und strich ihr über den Rücken. Emma weinte. Erst viel später fiel ihr auf, dass Annika nicht die tröstenden Worte gesagt hatte, die sie sonst immer sagte, wenn Emma traurig war.
»Mein Schatz, alles wird gut.«
Zwei Tage vor Weihnachten wurden sie mitten in der Nacht geweckt, weil jemand mehrmals an der Haustür klingelte. Das Geräusch durchschnitt die
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