Hafenmord - ein Rügen-Krimi
waren plötzlich Geräusche zu hören.
»Kann ich nicht herausfiltern«, sagte Jörg Varold, als Romy ihn fragend ansah. »Klingt, als würden Leute durch den Keller laufen.«
Beier und Brandt, die Kai nach unten bringen und fertigmachen, dachte die Kommissarin und sah auf die Uhr – anderthalb Stunden nachdem die Kamera mit der Aufzeichnung begonnen hatte.
»Die Geräuschkulisse ist noch etwa eine Stunde zu hören«, erläuterte Varold und stoppte das Programm. »Aber zu sehen ist nichts mehr.«
Abgesehen von den aktuellen Aufnahmen, waren verschiedene Videodateien gespeichert, aber auch Fotomaterial und schriftliche Aufzeichnungen, wie Romy nach einem Blick ins Inhaltsverzeichnis festgestellt hatte. Die Namen der einzelnen Dateien lauteten Beate Lauber, Maria Bernburg, Mirjam Lupak und Lilly Arnold.
Kai hatte nicht nur das Leiden der Frauen dokumentiert, sondern penibel darüber Rechenschaft abgelegt, warum er sich für das jeweilige Opfer entschieden hatte. Romy hoffte inständig, dass es ihr erspart bleiben würde, die einzelnen Videos in voller Länge anzusehen.
»Können Sie sagen, wann die Dateien auf der Festplatte gespeichert wurden?«, fragte Romy.
»Na klar. Sonntagmorgen zwischen eins und drei.«
»Hm. Und in der Nacht zum Sonntag gibt es keine Aufzeichnungen mehr? Nicht mal Hintergrundgeräusche?«
Bevor Varold antworten konnte, drehte Kasper sich plötzlich zu ihr um und starrte sie wie elektrisiert an. »Falls sie das Aufzeichnungsprogramm nicht gestoppt hat, bevorsie in Buschvitz losgefahren ist, müsste doch zumindest erfasst sein, dass Vera den Raum betritt und die Kamera ausstellt.«
»Genau!«
»Sehr guter Hinweis.« Varold nickte anerkennend. »Nach Ihren Erläuterungen war mir klar, dass ich sehr genau hinsehen musste. Da hat jemand …«
»Benutzen Sie ruhig ihren Namen – Vera Richardt«, warf Romy ein.
»Okay, also ich gehe davon aus, dass Vera den Inhalt des Laptops auf die Externe überspielt und sich große Mühe gegeben hat, den PC anschließend sauber und endgültig zu löschen. Ist ihr gelungen, muss ich zugeben.« Varold nickte beifällig. »Bevor sie die Externe mit einem Datenschlüssel vor fremdem Zugriff sichert, wirft sie noch einmal einen genauen Blick auf den Inhalt. Dabei dürfte ihr klargeworden sein, dass genau der Abschnitt, den Kollege Schneider gerade angesprochen hat, unter Umständen ihre Konzeption unterlaufen könnte und auch nicht in einer verschlüsselten Datei ihr Tun unter Beweis stellen sollte. Man kann ja nie wissen – schließlich sieht man Vera, und man hört sie auch …«
Romy konnte kaum noch still sitzen. »Und?«
»Nun, sie ist verdammt schlau und gerissen. Sie hat einfach die letzten Minuten gelöscht …«
Romy wollte aufspringen und etwas sehr Unflätiges herausbrüllen, aber Varold machte rasch eine abwiegelnde Handbewegung.
»Nur keine unnötige Energieverschwendung, Kommissarin. Diesmal hat sie es dabei belassen, den Abschnitt einfach nur zu löschen. Auf einer gut verschlüsselten Platte wollte sie es mit der Absicherung dann wohl doch nicht übertreiben …«
»Sie haben ihn wiederherstellen können?«
Varold grinste. »Und ob!«
Romy hatte nicht übel Lust, dem Mann einen Knutscher auf die Wange zu drücken, aber sie entschied sich dann doch dagegen und beließ es bei einem begeisterten: »Das gibt Sonderpunkte, Varold!«
»Nehme ich gern.«
Er startete erneut das Programm. Sekunden später schwang die Kellertür auf. Zunächst war nur das Irrlicht einer Taschenlampe zu erkennen, dann war Vera Richardt zu sehen. Sie trug dunkle Klamotten und eine Taschenlampe. Plötzlich erstrahlte im Hintergrund für einen Moment eine andere Lichtquelle, die aber sofort wieder erlosch. Die Uhr zeigte 23.12 Uhr an.
»Kann man die Uhrzeit manipulieren?«, fragte Romy leise, ohne den Blick vom Bildschirm abzuwenden.
»Profis können auch das, aber es ist verdammt aufwendig, und ich würde es bemerken.«
Romy nickte. Vera war also tatsächlich am späten Samstagabend am Hafen gewesen. Aber warum löschte sie ausgerechnet die Aufnahme, die beweisen konnte, dass sie zum Todeszeitpunkt nicht am Tatort war? Sie kann auch ein zweites Mal hingefahren sein, überlegte die Kommissarin. Sie hielt Vera inzwischen für hochgradig abgebrüht.
Vera Richardts bleiches Gesicht befand sich mittlerweile direkt vor der Kamera. Sie runzelte die Stirn und lächelte plötzlich. Ihr Mund verzog sich auf sehr unschöne Weise.
»Hallo, hier spricht Vera vom
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