Hafenmord - ein Rügen-Krimi
sie ermordet wurde. Was sagen Sie dazu?«
Bittner öffnete den Mund und schloss ihn wieder.
»Geben Sie es zu – das kann kein Zufall sein, oder? Kai Richardt wird in dem alten Gebäude hinter Ihrer Fabrik gefangen gehalten und erschlagen. Und Beate Lauber, die ihm und Ihnen elf Jahre zuvor mächtig auf die Füße getreten ist, finden wir in einem Keller nur einige Meter von ihm entfernt.«
Romy machte eine Kunstpause. Aber Bittner sagte immer noch nichts.
»Ich denke, Sie werden verstehen, dass wir relativ zügig Ihre Fingerabdrücke brauchen und ein ausführliches Protokoll anfertigen müssen«, fuhr sie fort. »Im Kommissariat in Bergen.«
Bittner löste sich mit einem Ruck aus seiner Erstarrung. »Sie verdächtigen mich?«
»Sagen wir mal so – der eine oder andere Anfangsverdacht macht sich durchaus in mir breit. Immerhin haben Sie kein gutes Alibi, was den Sonntagmorgen betrifft, als Ihr Freund erschlagen wurde«, erläuterte Romy. »Sie haben Kai als Letzter lebend gesehen, Sie kannten auch Beate Lauber und waren ihr alles andere als wohlgesinnt – aus den gerade erörterten Gründen. Wir wissen sogar, dass sie zu Ihnen wollte. Und, ganz wichtig: Beide Leichen wurden auf Ihrem alten Fabrikgelände entsorgt – in einem Gebäude, für das sich kein Mensch interessiert. Kein schlechtes Versteck, das müssen Sie zugeben.«
Bittner sah aus, als würde er jeden Augenblick umkippen. »Das ist nicht Ihr Ernst«, flüsterte er. »Ich bringe doch meinen Freund nicht um und lasse ihn da unten liegen … Warum?«
»Tja, in diesem Punkt stimme ich Ihnen zu – über IhrMotiv, was Richardt angeht, bin ich mir tatsächlich nicht im Klaren«, gab Romy zu. »Noch nicht. Aber wer weiß, welche alten Geschichten dahinterstecken. Vielleicht waren Sie gar nicht so dick befreundet, wie es uns anfangs schien oder Sie uns weismachen wollen. Vielleicht gab es Streit, warum auch immer.« Sie hob die Hände und ließ sie wieder sinken.
Bittner schüttelte den Kopf. »Sie täuschen sich. Ich bin doch kein Mörder und lasse zwei Leichen auf meinem Gelände verrotten!«, wiederholte er hektisch atmend. »Und die Lauber habe ich gar nicht empfangen! Die hat mehrfach angerufen und sogar vor meiner Tür gestanden, aber Kai meinte, ich solle die gar nicht reinlassen, und daran habe ich mich gehalten. Er hat geschäumt vor Wut, das kann ich Ihnen sagen …«
»Er hat häufiger mal geschäumt vor Wut, nicht wahr?«, unterbrach Romy ihn. »Insbesondere wenn es um Frauen ging. Wie lief das eigentlich in seiner ersten Ehe mit Ricarda?«
Bittner wischte sich über den Mund. »Sie hielt nicht lange. Mehr weiß ich nicht.«
»Das glaube ich Ihnen nicht.«
»Dann eben nicht.«
Es klopfte, und ein uniformierter Polizist trat ein.
»Bitte begleiten Sie Herrn Bittner ins Kommissariat nach Bergen, Kollege«, sagte Romy leise.
Sie war davon überzeugt, dass Bittner nichts mit den Morden zu tun hatte. Aber er wusste mehr, als er bislang zugegeben hatte. Auch davon war sie überzeugt.
Romy fuhr nach kurzer Rücksprache mit Kasper, den sie bat, das Protokoll mit Bittner zu übernehmen, nicht direkt nach Bergen zurück, sondern gönnte sich einen Zwischenstopp am unbebauten Hanggelände der Strandpromenade von Sassnitz.
Dort war es vor einigen Monaten zu einem Erdrutsch am Hochufer gekommen – kein schwerwiegender Steilküstenabbruch, aber immerhin war so viel in Bewegung geraten, dass die Polizei die Absturzstelle gesperrt und sogar mit Hunden nach Verschütteten gesucht hatte. Glücklicherweise war niemand zu Schaden gekommen.
Die Rügener Kreide hat es in sich, dachte Romy und erinnerte sich, dass Moritz mal anschaulich erzählt hatte, wie sich die Kreide mit Wasser vollsog, das sich im Winter im gefrorenen Zustand ausbreitete und dadurch so viel Druck erzeugte, dass die Steine aneinanderrieben, bröckelten, zersprangen, um irgendwann schließlich ins Meer hinabzustürzen.
»Die Steilküsten sind in ständigem Aufruhr«, hatte er hinzugefügt und leise gelächelt. »So wie du.«
Romy starrte aufs Meer hinaus, bis ihr Gesicht im kalten Wind wie eingefroren war und das Bild der aufgewühlten See für Ruhe in ihrem Inneren gesorgt hatte.
5
Hinz Posall ließ sich aus der Küche einen »Rügener Badejungen« auf backfrischem Weißbrot bringen. Er liebte den Inselcamembert und aß ihn am liebsten in der sahnigen Variante, dazu ein Glas Rotwein, und der Gaumenschmaus war perfekt.
Das anstrengende Gespräch mit den Kommissaren hatte
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