Hafenmord - ein Rügen-Krimi
nicht an, beugte sich aber darüber und betrachtete es mit konzentrierter Miene.
»Wie ich vorhin schon sagte: Ich kenne den Mann nicht«, erklärte sie.
»Waren Sie nicht mal bei einigen Laufveranstaltungen dabei, wenn Ihr damaliger Freund gestartet ist?«
»Nein – so gut wie nie. Diese Rennerei, ob nun zu Fuß oder auf dem Rad, ist mir schon immer auf die Nerven gegangen.«
»Sie sehen gar nicht so unsportlich aus.«
»Das hat nichts mit Unsportlichkeit zu tun«, erwiderte Mirjam stirnrunzelnd. »Ich fahre sehr gerne Fahrrad, gehe wandern, spiele Squash, aber die Rennerei und der ganze Hype, der darum gemacht wird – grässlich. Hier ein Marathon, dort ein Halbmarathon, dann wieder Crossläufe und Bergtriathlons, Inselcuprennen, Intervalltraining, Kraftausdauertraining … Tims Leidenschaft war übrigens ein ständiger Streitpunkt zwischen ihm und mir.«
»Klingt so.« Endlich geht sie ein bisschen aus sich heraus,dachte Romy. »Aber Sie könnten Richardt auch bei einer anderen Gelegenheit begegnet sein.«
»Tatsächlich?«
»Ja. Wir wissen, dass seine Innenausstattungsfirma für Ihren Chef gearbeitet und die Planung, den Innenausbau und die Einrichtung der Tierarztpraxis übernommen hat.«
Verblüffung flog über Lupaks Gesicht. »Du liebe Güte – ja, kann sein. Doch das ist etliche Jahre her.«
»Ungefähr sechs Jahre?«
»Mag sein. Ich erinnere mich noch gut an die Umbauarbeiten, als die Praxis in die neuen Räume zog, aber nicht an eine Begegnung mit diesem Mann.« Sie machte eine flüchtige Handbewegung in Richtung des Fotos.
»Sie können aber auch nicht hundertprozentig ausschließen, ihm über den Weg gelaufen zu sein?«
»Nein, das nicht, aber warum ist das so wichtig?«, fragte Mirjam. »Ob wir uns damals mal getroffen haben oder nicht, hat doch mit dem Mord an ihm herzlich wenig zu tun.«
Romy lehnte sich zurück. »Das genau ist der entscheidende Punkt.«
»Wie darf ich das denn verstehen?«
Die Kommissarin rührte ihren Cappuccino um und trank einen Schluck, dann beugte sie sich wieder vor.
»Bei den Tatortuntersuchungen in Sassnitz sind wir auf eine weitere Leiche gestoßen«, erörterte sie. »Eine Frauenleiche. Die lag dort knapp elf Jahre, und sie wurde erschlagen, wie die rechtsmedizinische Untersuchung ergeben hat. Kai Richardt hat diese Frau gekannt, wie wir inzwischen zweifelsfrei herausgefunden haben.«
Mirjam umschloss ihr Glas mit beiden Händen. »Und? Jede Großstadt hat mehr Einwohner, als es Rüganer gibt. Hier in der Gegend läuft man sich schon mal zufällig über den Weg, erst recht, wenn man geschäftlich unterwegs ist.«
»Ja, schon klar, doch wenn die Zufälle sich häufen, mussman genauer hinsehen. Im Laufe unserer Recherchen sind wir nämlich auf zwei weitere unaufgeklärte Vermissten- beziehungsweise Entführungsfälle gestoßen, bei denen die Möglichkeit eines vorherigen Zusammentreffens zwischen Kai Richardt und den Entführungsopfern mehr als wahrscheinlich ist«, fuhr Romy fort. »Zum einen geht es um eine Frau aus Greifswald, die nicht mehr lebt, zum anderen – das ahnen Sie natürlich längst – um Sie.«
Mirjam Lupak wollte einen Schluck trinken, stellte das Glas aber wieder ab. »Sie glauben, dass er das war – Kai Richardt?«
»Ich halte das aus mehreren Gründen für sehr wahrscheinlich, aber das allein reicht natürlich nicht aus. Wir müssen uns vergewissern, ob die Annahme einer strengen Überprüfung standhält. Sollten unsere Ermittlungen den Verdacht jedoch erhärten, bin ich außerdem davon überzeugt, dass wir das Motiv für den Mord an Richardt haben.«
»Sie meinen – jemand hat ihn getötet, weil er wusste …?«
Romy hob die Hände. »Genau. Jemand hat etwas mitbekommen, zufällig was erfahren, eins und eins zusammengezählt … Wie auch immer. Das wird sich noch zeigen, da bin ich ziemlich sicher.«
»Und was genau wollen Sie nun von mir?«, fragte Mirjam.
»Das können Sie sich denken, oder?«
»Sie beabsichtigen, den ganzen Fall noch einmal aufzurollen?«
»Ich will nur mit Ihnen sprechen. Erzählen Sie …«
»Ich habe alles gesagt«, unterbrach Lupak sie plötzlich mit Hektik in der Stimme. »Es steht alles in der Akte oder ist auf Band aufgenommen. Machen Sie sich da schlau!«
»Frau Lupak …«
Mirjams Kopf schnellte ruckartig vor. »Hören Sie zu, Frau Kommissarin – ich war jahrelang in Therapie wegen dieserGeschichte, und ich brauche immer wieder Unterstützung, weil ich Panikanfälle bekomme! Und
Weitere Kostenlose Bücher