Hafenmord - ein Rügen-Krimi
Anspruch zu nehmen? Ein schlagender Ehemann …«
»Nein, habe ich nicht. Warum und weshalb, möchte ich nicht diskutieren!«, erklärte Ricarda energisch. »Bitte respektieren Sie das!«
»Gut, das tue ich. Ist Ihnen in jener Trennungszeit irgendetwas aufgefallen, das Ihnen jetzt, vor dem Hintergrund derEreignisse, zu denken gibt?«, fragte Romy weiter. »Manchmal sind es nur Kleinigkeiten …«
»Tja, ich weiß nicht … Ich habe Kondome gefunden und dachte mir dann, dass er vielleicht jemanden kennengelernt hatte.«
Romy stutzte. »Und Sie wollten nicht wissen, wer so schnell Ihre Stelle einnehmen sollte?«
»Nein – höchstens, um die Frau zu warnen.«
Das wäre keine schlechte Idee gewesen, dachte Romy.
»Wissen Sie, er wirkte manchmal unerklärlich gut gelaunt, zugleich sehr hektisch und irgendwie angespannt«, fuhr Ricarda diesmal unaufgefordert fort. »Ich hielt es für vorstellbar, dass er Ablenkung gesucht hatte. Vielleicht wünschte ich es mir aber auch nur, weil ich darin den beruhigenden Beweis sehen konnte, dass er mich in Ruhe lassen würde. Endgültig …« Sie zögerte nur kurz. »Andererseits war Kai schon immer ein Mensch gewesen, dessen Stimmungen stark schwankten. Das ließ er nach außen natürlich nicht durchblicken. Und Kondome kann man auch mit Absicht herumliegen lassen – um ein Signal zu setzen. So was wäre ihm auch zuzutrauen gewesen.«
»Um Sie eifersüchtig zu machen, meinen Sie?«, mutmaßte Romy.
»Ja, natürlich. Mein endgültiger Entschluss zu gehen hat ihn ganz schön mitgenommen … nein, das ist die falsche Beschreibung: Er war schockiert, dass ich eine eigenständige Entscheidung gegen ihn getroffen hatte und mich nicht beirren ließ.«
Was für ein Durcheinander, überlegte Romy. Vielleicht aber auch nicht. »Frau Meinold, Richardt muss die Entführung von Beate Lauber bis ins kleinste Detail geplant haben. Sie war nach ihrem Rügen-Urlaub wieder in ihren Alltag nach Rostock zurückgekehrt, bevor sie Wochen später spurlos verschwand. Ihr Exmann hat das sehr geschickt vorbereitetund eingefädelt. Niemandem ist im Zusammenhang mit ihrem Verschwinden sein Name eingefallen. Dass heißt, dass er völlig unauffällig agiert hat.«
»Er konnte jederzeit geschäftliche Aktivitäten vorschieben, um durch die Gegend zu fahren, und er war damals besonders viel unterwegs, das kann ich allerdings bestätigen«, gab Ricarda Meinold zu. »Aber ansonsten …«
Romy fuhr sich durch die Locken und seufzte unterdrückt. »Waren Sie denn nicht mal ein bisschen neugierig, wie Kai das Leben ohne Sie plante – haben Sie nicht mal seine Taschen durchwühlt oder sich in seinem Arbeitszimmer umgesehen? Die Kondome …«
»Lagen im Bad, sodass ich sie finden musste!«, warf Ricarda rasch ein. »Und sein Arbeitszimmer war verbotene Zone – die ich nicht betreten durfte. Es war immer abgeschlossen.«
»Warum?« Romy war verblüfft.
»Alte Angewohntheit, sagte er mir, als ich ihn danach fragte. Seine Mutter hätte sein Zimmer regelmäßig durchwühlt, was er ganz scheußlich fand, und er bräuchte die ständige Bestätigung, dass sich niemals jemand an seinen Sachen zu schaffen machen kann. Ich habe das respektiert.« Plötzlich lachte Ricarda auf. »Irgendwann hatte Kai in seinem Schreibtisch mal eine Mausefalle versteckt – das Schreien seiner Mutter war im ganzen Haus zu hören gewesen, erzählte er mir. Ich fand das sehr komisch.«
Romy konnte nicht mitlachen. »Die Beziehung zu seinen Eltern war nicht gerade unbeschwert, oder?«
»Es gab keine. Er fand beide ätzend und wollte so wenig wie möglich mit ihnen zu tun haben. Ich habe sie kaum gekannt und bin nicht traurig über das distanzierte Verhältnis gewesen.«
»Aber der frühe Tod seines Bruders hat ihm ganz schön zu schaffen gemacht – dahingehend hat sich zumindest ein Freund geäußert«, wandte Romy ein.
»Ja? Möglich. Er hat nie über ihn gesprochen. Ich weiß nur, dass der Junge einen Blinddarmdurchbruch hatte«, meinte Ricarda zögernd.
»Wussten Sie auch, dass Kai jedes Jahr am Todestag des Bruders seine Mutter anrief?«
Stille. »Nein.«
»Trost wollte er ihr allerdings nicht spenden. Er erinnerte seine Mutter an ihr Versagen – jedes Jahr aufs Neue –, an ihre Schuld am Tod des Jungen.«
Ricarda gab ein seltsames Geräusch von sich. »Das passt«, sagte sie dann. »Aber ich wusste nichts davon.«
Das passt auch, dachte Romy. »Frau Meinold, ich möchte Ihnen ein Foto von Beate Lauber mailen«,
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