Hahn, Nikola
nahm eine Zigarre aus einem silbernen Kasten und zwickte die
Spitze ab. »Ich sagte ihm, daß man sich die Verwandtschaft leider nicht immer
aussuchen kann. Und daß er dir eine Rechnung schicken soll. Ich erwarte, daß du
die Dinge zügig regelst. Ich habe einen Ruf zu verlieren.«
Richard
wäre ihm am liebsten an die Kehle gefahren. »Ich verlange, daß du meine Töchter
gleich behandelst! Und daß du mich demnächst fragst, bevor du irgendwelche
Geschenke machst! Sonst sorge ich dafür, daß sie zurückgehen. Ganz gleich, ob
dein Ruf darunter leidet, Schwiegervater.«
»Wir
könnten allesamt gut ohne dich auskommen«, entgegnete Rudolf Könitz. »Aber was
Victoria sich eingebrockt hat, soll sie auslöffeln.«
Richard
ging ohne ein Wort. In seinem Zimmer lief er auf und ab, blätterte nervös die
Zeitung durch. Er würde eher sterben, als Rudolf Könitz darum zu bitten, die
Rechnung zu bezahlen. Er schlug die Anzeigenseiten auf. Die Annonce stand
jeden Tag darin, heute schien sie ihm ein Wink des Himmels zu sein. Er setzte
einen Brief auf. Als er fertig war, kam Flora mit Malvida herein.
Victoria
besprach mit der Köchin den Speisenplan für die kommende Woche, als ihr Besuch
gemeldet wurde. »Ich freue mich, Ihnen meine Aufwartung machen zu dürfen,
gnädige Frau«, sagte Andreas Hortacker.
»Tun
Sie mir einen Gefallen«, erwiderte sie lächelnd. »Belassen Sie es bei
Victoria.«
Er
küßte ihre Hand. »Gern, Victoria.«
Sie
musterte ihn verstohlen. Aus dem scheuen Jungen von damals war ein stattlicher
Mann geworden. »Ich habe mich sehr gefreut, Sie wiederzusehen, Andreas. Warum
sind Sie nicht früher zu Besuch gekommen?«
»Mein
Vater wollte es nicht. Verständlich, nach der Schande, die ich ihm gemacht
habe. Ich selbst hatte allerdings auch kein großes Verlangen. Aber seit
Cornelia wieder in Frankfurt lebt, drängt sie mich, herzukommen. Ich fand ihren
vierzigsten Geburtstag einen passenden Anlaß.«
»Sie
hat tatsächlich nichts davon gesagt, daß Richard und ich verheiratet sind?«
Andreas
Hortacker schüttelte den Kopf. »Wir sprechen nicht über die Vergangenheit.«
»Ist
Ihr Vater Ihretwegen nicht auf der Feier gewesen?«
»Er
fühlte sich nicht wohl. Und er mag Cornelias öffentliches Auftreten nicht.« Er
lächelte. »Meine Schwester hat sich zu einer bewundernswert selbständigen Frau
gemausert.«
»Ja,
das hat sie. Und wie ist es Ihnen ergangen?«
Er
erzählte von dem Warenhaus, dem er in Berlin als Prokurist vorstand. »Aus dem
Dichter ist also ein Kaufmann geworden«, stellte Victoria fest.
»Mein
Vater wünschte es so.«
»Und
keine Herzensdame all die Jahre?«
»Es hat
sich nicht ergeben.«
Victoria
hörte die Traurigkeit aus den gleichmütig hingesagten Worten, und für einen
Moment sah sie wieder den Jungen vor sich, der über seine verlorene Liebe in
ihrem Schoß bittere Tränen geweint hatte. Ob er noch immer an sie dachte? »Ich
würde Sie ja gerne noch ein bißchen mit meiner Neugier belästigen, Andreas.
Aber Sie sind sicher nicht gekommen, um mit einer alten Frau zu parlieren.«
»Ich
bitte Sie! Sie sind...«
»...die
Mutter einer reizenden Tochter. Ich werde Sie Vicki melden lassen.«
Er
wollte etwas sagen, als Flora und Richard hereinkamen.
Malvida
bellte ihn an.
»Er mag
mich wohl nicht?«
»Malvida
wünscht Ihnen bloß guten Tag«, sagte Flora. »Er ist nämlich eine Sie!« Sie
streckte ihm die Hand hin. »Und ich heiße Flora Henriette Biddling.«
»Laß
mich raten: die Schwester von Vicki? Ich bin Andreas Hortacker.«
»Das
habe ich mir gedacht! Mama hat gesagt, daß es sicher nicht lange dauern wird,
bis Sie Vicki besuchen kommen.«
Andreas
wurde vor Verlegenheit rot. »Ich habe gelesen, daß Sie gerade einen
erfolgreichen Fall abgeschlossen haben?« wandte er sich an Richard, während
Victoria ihrer Tochter einen strafenden Blick zuwarf.
»So gut
wie«, sagte Richard. »Werden Sie länger in Frankfurt bleiben?«
»Ja.
Ich habe das Glück, Geschäftliches mit Privatem verbinden zu können.«
Victoria
schellte. Tessa kam herein. »Melden Sie Vicki bitte Besuch.« Sie nickte und ging
mit Andreas Hortacker hinaus.
»Was
soll das bitte bedeuten?« wollte Richard wissen.
Victoria
lächelte. »Du merkst überhaupt nichts, oder? Schon auf Cornelias Feier hatte er
ein Auge auf sie geworfen.«
»Und da
läßt du die beiden allein?«
»Nun
schau nicht so grimmig! Vicki ist erwachsen.« Sie berührte sein Gesicht. »Wie
kommt es denn, daß du heute so zeitig
Weitere Kostenlose Bücher