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Hahn, Nikola

Hahn, Nikola

Titel: Hahn, Nikola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Farbe von Kristall
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ist. Bei Wennecke war
man anfangs noch geneigt, an einen Unfall zu glauben, aber spätestens seit dem
Tod des Italieners ist man es nicht mehr. Wenn es gelänge, Heynel aus dem
Verkehr zu ziehen, könnte ich die eine oder andere Dame vielleicht zu einer
offiziellen Aussage überreden.«
    »Das
Problem ist nur, daß man Herrn Heynel erst aus dem Verkehr ziehen kann, wenn
die entsprechenden Aussagen vorliegen«, sagte Victoria.
    »Jedenfalls
ist es denkbar, daß Ihr Mann mit seinen Ermittlungen - vielleicht sogar, ohne
es zu ahnen - mitten in dieses Wespennest gestochen hat«, überlegte Heiner.
»Und es mit seinem Leben bezahlte.« Er sah Tränen in ihren Augen und schwieg
betroffen.
    Victoria
fuhr sich übers Gesicht. »Ich vermisse ihn so sehr.«
    »Ich
vermisse ihn auch«, sagte Heiner leise. »Er war mein Vorgesetzter, und es
klingt albern, aber für mich war er auch so etwas wie ein Sohn.«
    »Da
wären Sie aber ein recht junger Vater gewesen.«
    »Man
tut, was man kann, hm?«
    Sie
lächelte unter Tränen. »Erinnern Sie sich, was Sie mir einmal über das Leben
gesagt haben, Herr Braun? Über die vielen frohen und traurigen Kapitel, und die
Antwort, die wir manchmal erst auf der letzten Seite finden? Als ich Richard
heiratete, glaubte ich, am Ziel angekommen zu sein. In Wahrheit stand ich am
Anfang und bin immer in die falsche Richtung gelaufen. Wenn wir nicht hierher
gezogen wären
    »Sie
sollten sich nicht so quälen, Victoria. Ganz gleich, wo Sie wohnten, Ihr Mann
hätte dieselben Fälle zu bearbeiten gehabt. Sein Tod hatte nichts mit seiner
privaten Situation zu tun.«
    »Ich
glaube doch.« Sie nahm einen Brief aus ihrem Schreibtisch. »Das habe ich heute
vor einer Woche bekommen.«
    Heiner
las und schüttelte den Kopf. »Warum haben Sie mir das denn nicht längst
gegeben?«
    »Es
hätte nichts geändert, oder?« Sie ging zum Fenster und sah in die Dunkelheit
hinaus. »Das Schlimmste ist die Ungewißheit. Ich frage mich jeden Tag, ob er
nicht noch leben könnte, wenn ich mir mehr Mühe gegeben hätte, ihn zu verstehen.
So viele Kapitel haben wir gemeinsam aufgeschlagen. Und doch finde ich die
Antwort nicht.«
    Als
Heiner ins Rapunzelgäßchen kam, war es Mitternacht durch, doch aus dem
Küchenfenster schimmerte noch Licht.
    »Wie
gut, daß Sie da sind«, begrüßte ihn Anna Frick im Flur.
    »Ist
etwas mit Helena?« fragte er bang.
    Sie
nickte. »Fräulein Rothe hat sie ins Bett gebracht, aber sie weint und verlangt
nach Ihnen.«
    Heiner
hängte Hut und Mantel achtlos an die Garderobe und lief nach oben. Helena hatte
die Augen geschlossen. Ihr Haar war aufgelöst, das Gesicht blaß. Laura
streichelte ihre Wangen. Als sie Heiner bemerkte, legte sie den Zeigefinger auf
den Mund und stand auf. Leise verließen sie das Zimmer. »Sie ist gerade
eingeschlafen.«
    »Was
ist passiert?« fragte Heiner.
    »Sie
waren kaum aus dem Haus, als sie sagte, sie müsse kurz weg. Ich habe mir nichts
dabei gedacht, aber dann kam sie nicht wieder. Wir haben die halbe Stadt nach
ihr abgesucht. Vor einer Stunde brachte ein Fuhrwerker sie zurück. Er sagte,
sie sei am Zollhof umhergeirrt und habe nicht mehr gewußt, wo sie wohne.«
    Heiner
ging in die Küche.
    »Möchten
Sie etwas trinken? Oder essen?« fragte Laura.
    Er
schüttelte den Kopf. »Ich maße mir an, anderen kluge Ratschlage zu geben und
mache selbst alles falsch. Ich darf sie nicht mehr allein lassen.«
    »Sie
können nicht vierundzwanzig Stunden am Tag auf sie aufpassen. Vielleicht
sollten Sie überlegen, sie für eine Weile in eine geeignete Anstalt zu geben.
Sicher könnte man ihr dort helfen.«
    »Sie
sind Krankenschwester. Wir brauchen uns nichts vorzumachen.« Er sah zum
Fenster. »Es ist ein Niemandsland, in das sie geht. Ein Abschied von allem. Ich
habe solche Angst.«
    Laura
nahm seine Hände, und er ließ es geschehen. Später fing er an zu weinen, und
sie spürte, wie gut es ihm tat. Es dämmerte schon, als sie zu Bett gingen.
    Am
Nachmittag kam Anna Frick früher von der Klavierstunde zurück. Als Heiner Kommissar
Beck die Tür öffnete, wußte er, warum. Verlegen versuchte Beck, einen
Blumenstrauß hinter seinem Rücken zu verstecken. »Guten Tag. Fräulein Frick
wollte mich sprechen.«
    Heiner
deutete nach oben. »Dritter Stock, das Zimmer geradeaus. »Hätten Sie nachher
ein paar Minuten für mich übrig? Ich glaube, es wird Sie interessieren, was ich
zu sagen habe.«
    »Wenn
Sie meinen. Ja, sicher.«
    Heiner
sah es ihm nach, daß er nicht ganz bei der

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