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HahnBlues | Ein Rhein-Mosel-Krimi

HahnBlues | Ein Rhein-Mosel-Krimi

Titel: HahnBlues | Ein Rhein-Mosel-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schmidt
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dabei, als man die Landebahn verlängert hat und er ist überhaupt immer dabei, wenn am Hahn gebaut wird.“
    „Und dort wird doch immer irgendetwas gebaut“, murmelte Udo. „Also kann sich Bärmann doch über einen sicheren Kunden freuen.“
    „Über einen Kunden, der krumme Geschäfte macht“, beharrte Wilms starrsinnig.
    „Können Sie das präzisieren?“
    „Leider nicht – ich habe ja das Handtuch geworfen. Als Bärmann anfing, irgendetwas von einem geheimnisvollen Auftrag zu faseln, über den wir auf gar keinen Fall mit jemandem reden dürfen, war für mich Schluss. Daran können sich Jüngere die Finger verbrennen, in meinem Alter braucht man so was nicht mehr. Er hat die jungen Fahrer im Betrieb mit einer satten Extra-Prämie gelockt. Viele haben ein Haus gebaut, ein Auto gekauft, eine Familie gegründet – oder alles auf einmal. Die Jungs brauchen das Geld, und sie haben nicht lange gezögert, als Bärmann sie mit der Prämie gelockt hat.“
    „Und Sie wissen wirklich nicht, worum es bei dem Auftrag ging?“
    „Ich schwöre. Aber es waren linke Geschäfte, das hab ich im Urin. Und deshalb war für mich der Ofen aus. So etwas tut man nicht, auch nicht für viel Geld. Wer weiß, was die Jungs jetzt fahren müssen. Sie haben strikte Anweisungen für alle möglichen Situationen bekommen. Jeder weiß, wie er sich zu verhalten hat. Wer querschießt, fliegt raus. Bärmann hat gedroht, und an seinem Arbeitsplatz hängt so ziemlich jeder.“
    „Außer Sie.“
    Nun lächelte Wilms ein wenig wehmütig. „Ich bin schon alt und brauch das nicht mehr.“ Er stand auf. „Kommen Sie mal mit.“
    Udo erhob sich und folgte Jürgen Wilms ins Haus. Es war altmodisch eingerichtet und wirkte dunkler als das Häuschen der Tochter. Margarete Wilms stand in der Küche und war damit beschäftigt, einen Kuchen zu backen. Als sie die Männer bemerkte, wischte sie sich die Hände an einem karierten Küchentuch ab und reichte Udo die Hand. Sie strahlte etwas Sanftes und Gutmütiges aus, fand Udo. Ein wenig erinnerte Margarete Wilms ihn an seine eigene Mutter.
    Die Männer stiegen auf den Dachboden des Hauses. Eine Trittleiter führte hinauf, und Udo staunte nicht schlecht, als er sich inmitten einer Modellbahnlandschaft wiederfand. Wilms betätigte einen Schalter, und plötzlich erwachte die Anlage zum Leben. Die kleinen Häuser waren beleuchtet, eine Eisenbahn ratterte durch ein Flusstal, das wohl der Mosel nachempfunden war. In einer Stadt erkannte Udo winzige Autos und Lastwagen, die detailgetreu nachgebildet waren. Eine Ecke das Dachbodens wurde von einer Werkbank eingenommen. Eine beleuchtete Lupe an einem kleinen Schraubstock sollte das Arbeiten erleichtern.
    „Und hier verbringe ich meine Wintertage, wenn es im Garten nichts mehr zu tun gibt“, erklärte Jürgen Wilms stolz. „Sehen Sie, hier …“ Er nahm einen winzigen Modell-Sattelzug von der Anlage und zeigte ihn Udo. „Der steht niemals im Stau, ärgert sich nie über die Schikane der Polizei, steht niemals nachts mit einer Reifenpanne auf dem Standstreifen und wartet stundenlang auf den Werkstattwagen. Verstehen Sie mich jetzt?“
    „Ja.“ Udo nickte nachdenklich, während seine Augen mit dem verzückten Blick eines kleinen Jungen über die imposante Modellanlage glitten. „Ich glaube, ich weiß, was Sie meinen.“
    „Dann ist es gut. Ich muss mich wirklich nicht mehr von einem Chef wie Paul Bärmann es ist, herumscheuchen lassen. Da komme ich lieber mit einer mickrigen Rente aus, als mir diesen Mist anzutun. Manchmal bin ich stundenlang hier oben, und meine Frau weiß gar nicht, dass ich noch im Haus bin. Hier kann ich herrlich abschalten und entspannen. Trotzdem habe ich meine Straßen, meine Autos, all das, was mich ein Leben lang geprägt hat, um mich herum.“
    Udo nickte und betrachtete die Miniaturlandschaft. Sie erweckte Kindheitserinnerungen in ihm. Seine eigene Modelleisenbahn war viel kleiner gewesen. Er fragte sich, wo seine Eisenbahn geblieben war. Irgendwann war sie einfach weggewesen.
    „Kann ich Sie anrufen, wenn mir noch etwas einfällt?“, fragte Jürgen Wilms unvermittelt.
    „Natürlich.“ Udo gab ihm eine seiner Visitenkarten, strich die zerknickten Kanten sorgsam glatt und tippte auf die Karte. „Da steht auch meine Handynummer drauf. So erreichen Sie mich Tag und Nacht und auch am Wochenende.“
    Als Udo wenig später das Haus verließ, war er sicher, bald schon etwas von Jürgen Wilms zu hören.

    Zell/Mosel,

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