HahnBlues | Ein Rhein-Mosel-Krimi
sind.“
SECHZEHN
Das Tätscheln an seiner Wange begann ihn zu nerven. Er wollte ein Auge öffnen, doch irgendwie gehorchte ihm kein einziger Muskel mehr. Kaltenbach kam sich albern vor, so hilflos quer im Flur seines Hauses zu liegen. Sein Hinterkopf pochte.
„Mensch Bernd, was machst du für einen Scheiß? Wach auf!“
Wie durch Watte drang die Stimme an seine Ohren und holte ihn in die Wirklichkeit zurück. Als er erwachte, schmerzte ihm jeder Knochen, und Kaltenbach hätte es nie für möglich gehalten, wie sehr sich rund zweihundert schmerzende Gliedmaßen anfühlen konnten. Ein gequälter Laut kam über seine Lippen, und er spürte diesen ekligen, pelzigen Geschmack im Mund.
Wo bin ich?
Wer bin ich?
Bin ich … tot?
Zäh wie Sirup flossen seine Gedanken durch das Hirn.
Als er eine schallende Ohrfeige verpasst bekam, glaubte er, dass ihm der Kopf von den Schultern gerissen wurde. Sein Gesicht schien zu explodieren. Aber er wusste, dass er noch lebte, denn Tote empfanden keinen Schmerz.
„Mann – was soll der Terror?“, fragte er mit schwerer Zunge, obwohl er noch gar nichts getrunken hatte. „Ich bin tot, also hetz mich nicht!“ Kaltenbach schaffte es zu blinzeln. Dabei stellte er fest, dass der Mond durch das kleine Fenster in den Flur schien. Allein vom kalten Mondlicht geblendet, zog Kaltenbach es vor, die Augen wieder zu schließen. Die Gefahr schien vorüber zu sein. Langsam kehrte die Erinnerung zurück.
Er war nach Hause gekommen und hatte sich über die offene Haustüre gewundert. Kaum, dass er einen Fuß über die Schwelle seines geliebten Bauernhauses gesetzt hatte, wurde er hinterrücks angegriffen. Jemand hatte ihm mit einem stumpfen Gegenstand dermaßen eins übergebraten, dass Kaltenbach sich auf der Stelle ins Reich der Träume verabschiedet hatte.
„Jetzt stell dich mal nicht so mädchenhaft an, mein Lieber.“
Kaltenbach überlegte, woher er die Stimme kannte.
Udo, durchzuckte es ihn. Das war Udo Reuschenbach. Doch wie kam der hierher – und vor allem: Warum besuchte er ihn mitten in der Nacht?
„Ich bin nicht dein Lieber“, krächzte Kaltenbach und nahm alle Kräfte zusammen. Es dauerte zwar eine kleine Ewigkeit, bis er sich aufgerappelt hatte, aber irgendwann saß er aufrecht in seinem Flur und rieb sich mit schmerzverzerrter Miene den Hinterkopf. „Mann, was war das für eine Scheiße?“
„Mich musst du nicht fragen“, entgegnete Udo. „Ich bin eigentlich hergekommen, um dich auf Stand zu bringen. Es gibt Neuigkeiten.“
„Quatsch keine Opern – du wolltest ein Bier schnorren.“ Kaltenbach grinste gequält und stand mühsam auf. Er rieb sich die mächtige Beule am Hinterkopf. „Ich werd alt“, sagte er. „Kann noch nicht einmal vertragen, wenn mir irgendein Idiot von hinten eins überbrät.“
„Hast du ’ne Ahnung, wer …“
„Nein, hab ich nicht. Eigentlich dachte ich, Beatrice ist im Haus. Aber die ist klein und zierlich. Sie hat bestimmt nicht so einen Bums im Arm, um mich aus den Stiefeln zu heben.“
„Wenn sie es war, dann hat sie dazu deine Bratpfanne genommen.“ Udo deutete auf die massive Gusspfanne auf dem Fußboden.
„Sie soll damit kochen, anstatt mich mit der Hausordnung zu begrüßen“, brummte Kaltenbach und schüttelte den Kopf, was er sofort bereute. Ein brennender Schmerz durchzuckte ihn. „Ist da jetzt eine Beule in der Pfanne?“
„Du musst zum Arzt“, behauptete Udo. „Sicher hast du eine Gehirnerschütterung.“
„Bleib mir mit dem Medizinmann weg“, grollte Kaltenbach. „Es geht gleich schon wieder.“
„Hast du eine Ahnung, wie lange du hier gelegen hast?“ Sie gingen in die Küche.
„Ich gucke normalerweise nicht auf die Uhr, bevor mich jemand umhaut“, konterte Kaltenbach und sank auf den wackligen Küchenstuhl. „Aber nach Hause gekommen bin ich so gegen halb neun.“
„Dann müsstest du eigentlich ausgeschlafen sein.“ Jetzt grinste Udo. „Es ist gleich halb elf.“
„Bier-Time“, murmelte Kaltenbach, erhob sich mühsam und trat an den Kühlschrank. „Wieder nichts eingekauft. Aber Steffi lässt uns nicht im Stich.“ Er kehrte mit zwei kalten Flaschen zurück an den Tisch. Udo nahm den Öffner vom Wandhaken und hob die Kapseln der Flaschen an. Sie tranken schweigend.
Als Kaltenbach die Flasche auf dem Tisch abstellen wollte, fiel sein Blick auf einen Zettel in der Schale, in der sich allerhand Dinge befanden. Vom ausrangierten Schlüsselbund bis zu Gummibändern, alten Kugelschreibern
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