Hahnemanns Frau
nichts.
»Aber später ist man immer klüger! Ich hoffe, Sie können mir noch helfen.«
»Wir werden es versuchen. Es ist bei anderen gelungen, warum nicht auch bei Ihnen, Monsieur.«
Die Befragung dauerte etwa eine Stunde. Mélanie notierte wie immer alles genau. Am Schluß berieten sich die Hahnemanns.
»Ich denke, es ist die Syphilis und nicht die Gonorrhö«, sagte Mélanie.
Samuel nickte.
»Aber sind die Syphilis und die Gonorrhö denn nicht ein und dasselbe?« Sue sah Dr. Hahnemann erstaunt an.
»Man sagt, es sei dasselbe, Monsieur, ich bin hingegen ganz sicher, daß es sich um zwei verschiedene Krankheiten handelt. Doch abgesehen davon interessiert uns Homöopathen die Diagnose nicht sonderlich. Wenn wir die Krankheit benennen, legen wir uns fest, und das lenkt uns von dem ab, was wesentlich ist – nämlich die Symptome, die die Krankheit hervorbringt und die uns den Weg zur einzigen, richtigen Arznei weisen. Wenn meine Frau hier eine Diagnose stellt, dann nur, um sich zu vergewissern, ob ihre Beobachtungen mit meinen übereinstimmen.«
Samuel wandte sich wieder an Mélanie.
»Ich würde in diesem Falle Mercurius geben«, schlug sie vor.
Wieder nickte er. »Wir nehmen die Q-Potenz.«
»Einen halben Teelöffel, dreimal täglich.«
»Richtig.«
Sie schickten nach Charles, der aus der hauseigenen Apotheke ein kleines braunes Fläschchen mit der gewünschten Arznei brachte. Mélanie bedankte sich, reichte das Fläschchen an Monsieur Sue weiter und erklärte ihm genau, wie er das Medikament einzunehmen hatte. Dann stand sie auf und gab ihm die Hand. »Bitte kommen Sie am Montag wieder, um uns Bericht zu erstatten. Sollte es allerdings Komplikationen geben, zögern Sie nicht, uns aufzusuchen.«
»Ich danke Ihnen. Madame – Monsieur.« Er verneigte sich auch in Samuels Richtung, dann folgte er Charles, der ihn zur Tür brachte.
Mélanie ging zu ihrem Mann, stellte sich hinter ihn und massierte sanft seine Schultern.
»Es ist ein Schrecken mit diesen Geschlechtskrankheiten!« sagte er. »Und immer wieder dasselbe – man kommt zu spät. Dabei könnte man bei frühzeitiger Behandlung das Ärgste verhindern. War das der letzte Patient für heute?«
»Ja, der letzte – du wirkst müde und abgespannt.«
»Es war viel zu tun in letzter Zeit, aber mach dir keine Sorgen, es geht mir gut.«
Sie beugte sich zu ihm und hauchte ihm einen Kuß auf die Wange. »Weißt du eigentlich, was heute für ein Tag ist?«
Samuel spitze die Lippen. »Heute? Laß mich überlegen! Wir haben den 8. Oktober. Also, ich weiß nicht … Nein, tut mir leid. Was ist denn für ein Tag?« Seine Augen blitzten, als er sie ansah, in seinen Mundwinkeln zuckte ein Lächeln.
»Natürlich weißt du es! Du bist ja wirklich ein Schwindler, ein Scharlatan, Friedrich Christian Samuel Hahnemann!«
Er nahm ihren Arm, zog sie zu sich auf seinen Schoß und küßte zärtlich ihren Hals. »Natürlich weiß ich, daß wir uns heute vor vier Jahren zum ersten Mal begegnet sind. Und es waren die vier schönsten Jahre meines Lebens!«
Lächelnd strich sie ihm eine weiße Locke aus der Stirn. »Und das sagst du nicht nur so?«
»Ich würde es niemals wagen, Sie zu belügen, Madame!«
Sie lachte. »Ach, das behauptet jeder Mann – und dann tut er es doch!«
Er küßte sie hinterm Ohr, dort, wo sie es besonders liebte, und dabei bahnte sich seine Hand unter ihren Röcken einen Weg zu ihrem Venusdelta.
Ein Schauder durchzuckte sie, denn seine Zärtlichkeiten erinnerten sie an die gestrige Nacht. An seinen heißen Atem auf ihrer Haut. An das Pulsieren in ihrem Körper, als er sie so lange gestreichelt und liebkost hatte. Immer wenn er sie auf diese Art liebte, dann schien sie für Sekunden nicht mehr wirklich zu existieren. Dann schien sie in winzige Scherben zersprungen zu sein und mußte sich zusammensammeln, bevor sie atemlos zurückkehren konnte auf diese Welt, in der sie einen Körper hatte und Mélanie hieß.
Sie genoß seine Zärtlichkeiten auch diesmal wieder, doch plötzlich hielt er inne und sagte: »Ich habe einen Entschluß gefaßt.« Er sah sie ernst an. »Sobald ich die Überarbeitung der Chronischen Krankheiten abgeschlossen habe, werde ich an einer neuen Auflage des Organon arbeiten und meine neuesten Erkenntnisse veröffentlichen!«
»Du willst über unsere Arbeit mit den Q-Potenzen schreiben?«
»Ja. Ich glaube, es ist an der Zeit.« Er gab sich Mühe, sich nicht anmerken zu lassen, daß er im tiefsten Inneren keineswegs
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