HalbEngel
klarkommen.«
»Hey-hey-hey, wovon willste mich denn zahlen, Junior?«
»Mein Dad gibt mir Taschengeld. Ab und zu verdien ich ein paar Dollar mit meiner Band. Und ab und zu lass ich was mitgehen. Was dagegen?«
Beide hatten macho-mäßig gegen die Sommersonne geblinzelt. »Warum ich?«
»Sie sind der Einzige hier in der Gegend, von dem man sagt, dass er’s drauf hat. Ich hoffe, das stimmt auch.«
»Hey, hey. Ich werd mich vor dir Knirps nich zum Affen machen, um dir was zu beweisen. Was ich draufhab, reicht, um in den Himmel zu kommen.«
»Klingt okay.«
»Reicht aber nich, um in den ’dammten Pop-Top-Tenthousand den Puppenfänger zu machen.«
»Da scheiß ich drauf.«
Wieder Blinzeln in die Sonne.
»Du sagst, du spielst in ’ner Band?«
» Valley Forge . Drei Mann guit-voc-b-drums. In der Schule und auf Anlässen, auf Parties und so.«
»Cover oder selbst geschrieben?«
»Wir haben’n paar Hits drauf für die Knete, aber ich schreib auch selber.«
»Na, shit, dann komm man rein und gib mir mal ’ne Kostprobe. Reden is billig.«
Und so hatte es angefangen. Der Fünfzehnjährige hatte sich in Regglers Zimmer aufgestellt, eingepluggt und so infernalisch an seinen Saiten gerupft und gezogen, dass zwei davon gerissen waren. Als Reggler ihm die beiden ersetzt hatte, in besserer, aus Frisco abonnierter Qualität, war der Einverständniskontrakt wortlos geschlossen.
Von Reggler hatte Floyd alles, von Reggler hatte Floyd nichts.
Reggler hatte ihm beigebracht, wie das hieß, was Floyd da machte, wie es einzuordnen war, wie man es kombinieren, akkumulieren und weiterentwickeln konnte. Floyd probierte Sachen aus, die nach Cream klangen oder nach Chuck Berry oder B. B. King oder Pete Townsend, nach Jeff Beck oder Led Zep, ohne wirklich exakt wie diese zu sein. Es waren Versatzstücke, Fetzen, die er mal gehört hatte, die er wiederkäute und mit einem Fragezeichen am Ende versehen in Regglers Richtung abschoss, und der half ihm, das Erbe zu verwalten. Floyd lernte, die Spielweisen von Brian May, Joe Satriani und Peter Green zu verachten, ohne exakt angeben zu können, warum das so war. Die achtziger Jahre brachten eine ganze Sturmflut von unglaublich schnellen, unfassbar virtuosen und dabei unbegreiflich seelenlosen Saitenheroen, deren einzige Auswirkung auf Floyds Stil in Abgrenzung und Abscheu bestand. Ein paar neue Einflüsse vermochte Reggler Floyd sogar beizubringen, da Floyd aufgrund seiner Jugend noch nie etwas von T-Bone Walker oder Leadbelly oder den kuriosen Twangs eines Duane Eddy gehört hatte. Am Ende dieser fast fünfjährigen Lehrzeit, die genauso viele gespuckte Wutausbrüche wie raurippige Versöhnungen sah, stand die ernüchternde Erkenntnis, dass der Anti-Virtuose Keith Richards allein aufgrund seines scherbigen Sounds wahrscheinlich der beste Gitarrist aller Zeiten ist und man den ganzen Rest mehr oder weniger belächeln konnte.
Das alles hatte Floyd von Reggler, und dennoch hatte er das alles im Grunde genommen auch vorher schon gewusst, schon mit fünfzehn Jahren.
Sicher, denkt Reggler jetzt und nickt, da war noch die Episode gewesen, in der Lehrer Reggler es für unabdingbar gehalten hatte, seinem Schüler Timmen auch das akustische Spiel beizubringen und ihn mit einer 12-saitigen zu quälen, aber das hatte auch nicht zu mehr geführt als einer gewissen Filigranisierung der Grifftechniken. Alles andere, das Schleifenlassen der Fingerkuppe während des Umgreifens, das quietschende Reiben des Andrucks, die laszive Verzögerung des Anschlags, das Vorhand-Rückhand-Wechselspiel zwischen Fingerbeere und -nagel, das Auffinden der metaharmonischen Spannungsfortsetzung im nur grobgerasterten Niemandsland des Halses, die Schwingungskommunikation mit dem Backspin des Verstärkers, das astaireske Tapping auf den kaum berührten Telegrafendrähten, das Winseln und Schreien des elektrischen Yangtsekiang, das rauchend aufglühende Streicheln mit dem abgesägten Flaschenhals, das schmerzhafte Überspannen der Saite mit dem Plektron, das Aufeinandertürmen, Auseinanderbiegen und Ineinanderschieben von gehaltenen Verminderungen, die rhythmische Effektivität eines geslapten Daumens, das Verändern von Lautstärke ohne Veränderung des Griffs und das Schweben- und Vibrierenlassen von Tönen durch die Beweglichkeit zweier Körper müssen wiedererinnertes genealogisches Bewusstsein eines Jugendlichen gewesen sein, in dessen Familienstammbaum sich paradoxerweise niemals ein Musiker befunden hatte.
Es
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