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HalbEngel

HalbEngel

Titel: HalbEngel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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den sodomitischen Exzess runterreißt (»Bessere Spannungskurve so«), und stellt noch fest, dass dies die Möglichkeit eröffnen würde, die Uncut Version von ›Market‹ auf eine der B-Seiten zu klatschen. »Was meinst du, wie viele Singles wir da rausholen?«, fragt Sletvik feixend. »Zwei mindestens«, bestimmt The Pope , »›Goodbye‹ und ›Legless‹.« »Dann müssen wir Wayland noch klarmachen, dass ecologically correct das Label ist, unter dem MBMI für die Dummköpfe von der Presse laufen soll.« »Das kriegt der schon hin. Die werden wir schon dazu bringen zu denken, sie wüssten, was da abgeht.«
     
     
    Post-Production.
    Für The Pope fing die eigentliche Arbeit jetzt erst richtig an.
    Aus dem intuitiven Wagnis war jetzt mittlerweile doch eine generalstabsmäßig geplante Operation geworden. Der gesamte Oktober stand für die studiotechnische Post-Production zur Verfügung, das heißt, während in den Aufnahmeräumen längst neue und hoffnungslosere Formationen um ihr Leben klampften, saßen Pope und Stork über den Masters von MBMI , um Unerhörtes zutage zu fördern. Ebenfalls im Oktober sollte es ein oder zwei Promo-Gigs in lokalen Clubs geben und eine ganze Reihe von damit verbundenen Presseterminen. Für die erste Novemberwoche war der Dreh des ›Goodbye‹-Videos geplant (Mel hatte einen Regisseur am Haken, der vorher unter anderem schon für einen Spielfilm von Nick Roeg das Licht gesetzt hatte), am 9. November dann sollte die Single ›Goodbye‹ (mit ›No Coffee, Never Wine‹ als Bonus-Track) in den üblichen Läden einschlagen. Ansonsten sollte sich die Band im Trubel des Weihnachtsgeschäfts ruhig verhalten, den ganzen November und den ganzen Dezember über, vielleicht ein oder zwei Secret Gigs in der Nähe, um Reputation als Lauffeuer zu zünden, ansonsten aber Stille, um Erwartungshaltungen gnadenlos hochzukochen (O-Ton Sletvik: »Es gibt keine bessere Promotion als sich widersprechende wilde Gerüchte.«) Dann, pünktlich am 2. Januar eines neuschneereinen Jahres, sollte das Album rausgehen, mitten in der Post-X-Mas-Erschlaffung. Mit dem richtigen Timing, mit dem Erscheinungssetzen eines Albums in eine Zeit, in der die Majors ihre Superstars zurückhalten, weil der Markt übersättigt ist oder kaum jemand im Lande (also direkt nach Weihnachten oder in der Sommerferienzeit), konnte man mit etwa einem Viertel der Verkaufszahlen wie sonst nötig Spitzenplätze in den Charts erreichen. (Früher, ganz früher, als Sletvik sein Label gegründet hatte, hatte er auf solche marktstrategischen Überlegungen noch geschissen. Heute machte ihm das Börsenspiel Spaß. Es war wie Kindsein, irgendwie, nur eben mit mehr Einfluss.)
    Zuständig für die Pressearbeit und das gezielte Ausstreuen von Gerüchten (»Floyd und Utah haben’s während der Aufnahme getrieben«, »Floyd ist noch Jungfrau«, »Floyd ist verheiratet«, »Floyd sucht eine Frau zum Heiraten«, »Floyd ist Mormone und sucht noch mehrere Frauen zum Heiraten«) war Wayland Donelli, der folgerichtig erst im November in der Stadt dazustieß, nachdem er rückwirkend alle The Pope betreffenden Verträge glattgemacht hatte.
    Zuständig für das Album an sich war The Pope . Es zeigte sich, dass besonders Utah – aber auch Floyd – mehr Interesse an der Post-Production-Seite hatte, als The Pope eigentlich recht war, aber nachdem Utah irgendwann mal schnauzig gesagt hatte »Mach dir keine Sorgen um die Credits, da will ich gar nicht mit drauf«, und er sich hatte eingestehen müssen, dass er sich tatsächlich genau darum Sorgen gemacht hatte, überwand er den Egomanen in sich ein wenig und ging – sogar mit Interesse – auf die besseren Vorschläge des Mädchens ein.
    So drehten sie am Mischpult ›Ten Candles‹ so lange hin und her, bis kaum noch ein Beat auf dem anderen blieb. An einer Stelle schaffte es The Pope sogar, Signale derart rauszufiltern, dass der Nachhall von Nicks Schlägen zwar zu hören war, der Schlag selber jedoch nicht mehr. Die daraus resultierende Rhythmusverschiebung war ein atemberaubender Effekt.
    In ›Implication Storm‹ dagegen wurde Nick nach vorne gemischt, bis er fast Kniesehnenreflexe auslöste. Der Song wurde dadurch noch rockiger, treibender, Floyd schien rauhälsig herumzustampfen wie ein pöbelnd erigierter Holzfäller (oder ein Gorilla in Holzfällerkluft).
    Überhaupt nicht mehr wiederzuerkennen nach dem Abmischen waren ›Legless Bird‹ und ›Grey‹. The Pope hatte dauernd dieses blau

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