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Halbmondnacht

Halbmondnacht

Titel: Halbmondnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Carlson
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Juanita nicht aufscheuchen. Sie war meine Nachbarin und hatte zu meiner Überraschung beschlossen, mir ihre Freundschaft zu schenken. Ich hatte nicht den Mumm, ihr zu gestehen, dass ich für unbestimmte Zeit weg wäre. Sie war eine sehr kluge Person. Mit Sicherheit würde sie irgendwann anfangen, Fragen über mich und die ständig wechselnde Gang von männlichen Kleiderschränken in meiner Begleitung zu stellen. Und dann käme sie vermutlich zu dem Schluss, dass die Loyalität, die sie mir so großzügig erwiesen hatte, deplatziert war. Obendrein hatte ich sie schon genug in Gefahr gebracht, als ich sie gebeten hatte, ein Auge auf meine Wohnung zu haben, und ich hatte nicht die Absicht, ihr so etwas noch einmal anzutun.
    Es war sicherer für jeden von uns, wenn ich sie mir vom Leib hielt.
    Meine Wölfin schnappte nach mir. Sie war ungeduldig, wollte, dass ich mich schneller bewegte. Ich bin doch schon auf dem Weg. Es ist nur viel leichter für uns, wenn wir der Nachbarschaft aus dem Weg gehen. Unter Menschen nennt man ein solches Vorgehen raffiniert oder trickreich. Merkst du nicht, wie ich mich den Gang hinuntertrickse, anstatt ihn entlangzurasen, wie du es gern hättest? Wenn wir es so machen, wie ich es will, bleiben wir quasi unsichtbar. Wenn wir es machen, wie du es willst, kommen alle aus ihren Wohnungen gelaufen, um nachzuschauen, was jetzt schon wieder los ist . Meine Wölfin schnappte in die Luft.
    Sie war längst über den Punkt hinaus, wo sie noch als aufgeregt durchgegangen wäre. Frustriert war sie, und das hochgradig. Die absolute Nummer eins auf ihrer Prioritätenliste war, Rourke zu finden. Alles andere war ihr egal. Aber die Verpflichtungen, die ich als Mensch hatte, machten es unmöglich, einfach loszustürmen und ihn zu suchen. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass wir keinen Schimmer hatten, wo wir mit der Suche nach ihm beginnen sollten, solange wir nicht mit den Vampiren gesprochen hatten. Für deren Hilfe bei der Suche nach Colin Rourke hatte ich alle Tabus des Rudels gebrochen und mich eidlich der Vampirkönigin verpflichtet. Rourke war eine Werkatze und mein wahrer Gefährte. Gegen den Willen meines Vaters hatte ich geschworen, schon bald nach New Orleans zurückzukehren und der Königin einen Gefallen zu erweisen. Was für ein Gefallen das sein würde, wusste ich nicht. Dafür waren ihre beiden besten Fährtenleser schon seit gestern Abend auf der Suche. Heute nach Einbruch der Nacht, wenn sie erwacht wären, würden sie mittels ihrer magischen Fähigkeiten auf meiner Schwelle erscheinen. Sie würden uns, mir und meinen Selektivhelfern, den schnellsten Weg zu Selene weisen, der Mondgöttin, hinter der wir her waren. Für diesen Handel hatte ich viel geopfert.
    Gerade einmal sechsunddreißig Stunden war es her, seit wir die Vampirkönigin verlassen hatten. Aber es fühlte sich an wie eine halbe Ewigkeit.
    Wir brechen schon bald auf. Reiß dich zusammen. Meine Wölfin knurrte, trollte sich aber und überließ wieder mir das Feld.
    In der wenigen Zeit, die Rourke und ich miteinander verbracht hatten, hatte sich in mir etwas verändert. Sein klarer Blick aus hellen Augen, die am Rand der Iris ein schmaler, smaragdgrüner Ring von unglaublicher Farbintensität umgab, beherrschte mein ganzes Denken, mein Fühlen sowieso. Sein Geruch war wie ein in sich verschlungenes Muster tief in meine Seele eingebrannt; jedes Detail war ich mir geradezu schmerzhaft bewusst. Es warein köstlich schwerer Duft nach Gewürznelken und brauner, süßer Melasse, verführerisch wie Karamell. Mir war, als stiege er mir gerade jetzt in die Nase. Die Erinnerung daran, wie Rourke für mich, um mich gekämpft hatte, mich beschützt hatte, mich geküsst hatte, waren überwältigend. Die Bilder zogen an meinem geistigen Auge vorbei, unablässig, wieder und wieder, wie in einer Endlosschleife.
    Ich musste ihn unbedingt finden. Bei der Vorstellung, dass Selene ihm etwas antun könnte, egal was, wuchsen schlagartig meine Fingernägel und verwandelten sich in lange, spitze Klauen, ehe ich irgendetwas dagegen tun konnte. Ich würde Selene nicht einfach nur töten, ich würde sie vernichten, auslöschen würde ich sie, schäumte ich innerlich. Die Vorfreude, die mich bei diesem Gedanken erfüllte, war köstlich. Meine Wölfin bellte auf, ein kurzer Laut der Zustimmung, fletschte die Zähne und tat, als wolle sie gleich jetzt eine Kehle zerfleischen. Du hast vollkommen recht: Sie hat keine Chance gegen uns. Sie biss zu. Ich

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