Hale 1 Piraten der Liebe

zu verlieren. « Cathy bewegte sich entschlossen auf das Kliff zu, während sie sprach. Harry und Petersham wechselten einen schnellen Blick und gingen dann hinter ihr her. Sie drehte sich erstaunt um.
    »Was tut ihr? Ihr könnt nicht mitkommen. Sie werden euch hängen! «
    »Und glaubst du, daß wir Jon jemals wieder ins Gesicht sehen können, wenn wir dich alleine gehen lassen? « schnaubte Harry spöttisch. »Angenommen natürlich, daß wir noch rechtzeitig kommen, um zu verhindern, daß er gehängt wird. « Bei dieser unnötigen Bemerkung fing Cathy an, über den unebenen Boden zu rennen. Eine Hand auf ihrem Arm wollte sie aufhalten.
    »Denken Sie an das Baby, Miß Cathy«, warnte Petersham sie mit einem besorgten Blick auf ihr gerötetes Gesicht.
    »Ich bin nicht aus Zucker, Petersham! « fuhr Cathy ihn an. »Und wenn wir uns nicht beeilen, könnte es zu spät sein! Nun kommt schon! «
    Es war nicht weit bis in die Stadt, aber Cathy schien der Weg dorthin Stunden zu dauern. Als sie an Jons  Haus vorbeieilten, warf sie nur einen kurzen Blick darauf. Eine Kanonenkugel war offensichtlich durch das Dach geschlagen, und das Gebäude hatte Feuer gefangen. Es war nicht mehr viel davon übrig. Aber was hatte das jetzt noch für eine Bedeutung? Alles, woran sie noch dachte, war das Seilende, an dem Jon bald hängen könnte. Sie kam nicht einmal darauf, daß sie sich einmal selbst gewünscht hatte, ihn so zu sehen. Jetzt liebte sie ihn, und wenn er sterben würde, würde sie es auch. Eine dicke, schwarze Rauchwolke hing über der Ansammlung von Häusern am Eingang des Hafens. Keines von ihnen stand mehr. Überall lagen Trümmer, so als wäre eine gigantische Faust auf diese Seite der Insel niedergesaust. Die Leichen von Piraten und Eingeborenen lagen überall herum. Eines der großen Schiffe lag in der Bucht vor Anker, und Cathy konnte mehrere Körper von den Sparren hängen sehen. O Gott, sie hatten mit den Hinrichtungen angefangen! War Jon bereits darunter?
    Harry und Petersham standen zu beiden Seiten neben ihr und hatten ihre Arme ergriffen. Sie sahen besorgt auf Cathy. Die völlige Abwesenheit von Kanonenschüssen sprach für sich.
    »Die Schlacht ist vorbei, Cathy«, sagte Harry sanft. »Es ist besser, wenn du dich davonmachst. Du willst Jon doch nicht an einem Strick sehen? Der Schock könnte dem Baby Schaden zufügen. Wir werden nach ihm sehen, und wenn es nötig sein sollte, dann holen wir dich.«
    »Nein!« schrie Cathy wütend auf und riß sich los. »Er ist nicht tot. Ich weiß, daß er nicht tot ist!«
    Sie rannte zum Hafen hinunter, und sie lief schneller als jemals zuvor in ihrem Leben. Harry und Petersham rannten hinter ihr her und fluchten über ihre Dickköpfigkeit. Beide hatten das Gefühl, daß es schon zu spät war, um Jon zu retten, und tief in ihrem Herzen fürchtete Cathy das gleiche wie sie.
    Wenn sie ehrlich war, mußte sie zugeben, daß er sehr wahrscheinlich schon vor den Hinrichtungen getötet worden war. Aber wenn nicht, wenn es nur irgendeine Chance gab, würde sie alles tun, um ihn zu retten. Es war nicht einmal sicher, daß sie die Hinrichtungen stoppen konnte, sogar, wenn sie noch rechtzeitig ankäme. Ein Gelegenheits-Soldat würde es sich zweimal überlegen, bevor er auf Anweisung eines Mädchens hin eine Exekution unterbrach. Da war es wahrscheinlich völlig egal, welchen Rang sie hatte. Aber sie mußte es versuchen.
    Ein Trupp britischer Soldaten hielt im Hafen Wache. Sie waren dort offensichtlich abgestellt, um jeden Piraten, der überlebt hatte, an der Flucht zu hindern.
    Als Cathy auf sie zueilte, legten sie ihre Musketen auf das Mädchen an.
    »Halt!« schrie der diensthabende Offizier warnend, als sie herankam.
    Als er sah, daß Cathy eine Frau war, schreckte er davor zurück, den Schießbefehl zu geben.
    »Schießt nicht, ihr Narren!« rief Cathy und verlangsamte ihren Schritt nicht, bevor sie direkt vor dem Offizier stand. Ihr Gesicht war gerötet, und sie schnaufte, aber als sie sich zu ihrer vollen Größe aufrichtete, schaffte sie es immer noch, wie eine Lady auszusehen. Der Offizier starrte sie perplex an.
    »Ich bin Lady Catherine Aldley«, sagte Cathy schnell, aber würdevoll zu dem Offizier. »Und ich verlange, zu dem Schiff gebracht zu werden, auf dem sie die Piraten hängen. Sofort, wenn ich bitten darf!«
    Der Offizier sah sie mißtrauisch an und blickte dann mit noch wachsameren Augen zu Harry und Petersham herüber, die sich nur sehr unwillig genähert hatten. Cathy