Hale 2 Freibeuter des Herzens
Zumindest hatte es ihn dazu bewegt, ihr mehr Zärtlichkeit entgegenzubringen, als je zuvor, seit sie an Bord der Cristobel gekommen waren. Vielleicht hatte er den Schock gebraucht, um wieder zur Vernunft zu kommen. Cathy runzelte die Stirn, als sie daran dachte, daß die Wunde ihm Probleme bereiten könnte. Er war sicherlich geschwächt, sowohl vom Schock als auch vom Blutverlust, und sein Arm würde gewaltig schmerzen. Aber abgesehen davon, war es ein glatter Durchschuß gewesen. Das Blut war stark geflossen und hatte, so hoffte sie, alle Fremdkörper aus der Wunde herausgewaschen. Das Problem war die Möglichkeit einer Infektion. Cathy erinnerte sich noch gut an den schrecklichen Wundbrand, der eingesetzt hatte, als Jon vor drei Jahren einen Messerstich ins Bein abbekommen hatte, und erbleichte bei dem Gedanken. Aber diese Wunde war nichts im Vergleich dazu. Er würde es überleben, sagte sie sich tröstend. Und er hatte es auch verdient - so von ihr zu denken!
Sie machte sich daran, den Boden und die Wände zu schrubben, und es war Stunden später, lange nach Sonnenuntergang, als Cathy schließlich nicht länger warten konnte. Wo war Jon? Er mußte doch genauso darauf brennen, ihre Probleme aus der Welt zu schaffen, wie sie. Und er mußte doch gespürt haben, daß sie ihm etwas Wichtiges mitteilen mußte. Er hätte schon längst zurück sein müssen. Cathy weigerte sich, den Gedanken auch nur in Betracht zu ziehen, er könnte es nicht erfahren wollen. Irgend etwas anderes mußte ihn davon abhalten, zu kommen, redete sie sich immer wieder ein, oder vielleicht war er auch nur schüchtern. An sich war dieser Gedanke albern, aber man konnte ja nie wissen. Vielleicht sollte sie ihn holen gehen, dachte Cathy. Es war schließlich dunkel, und wenn sie sich die Decke fest um den Körper wickelte, gab es für niemanden etwas zu sehen. Selbst Jon konnte nichts dagegen haben. Nickend entschloß sie sich dazu, wickelte ihren Sarong erneut, so daß er er mehr einer Toga glich und schlich aus der Kajüte.
Es war eine pechschwarze Nacht. Der Mond war noch nicht am Himmel, und nur ein paar wenige Sterne waren zu sehen. Die See war ruhig, und nur das leise Schwappen der Wellen gegen den Schiffsrumpf und das Knarren in den Wanten durchbrach die Stille. Das Deck schien wie leergefegt, und obwohl Cathy wußte, daß das nicht sein konnte, verspürte sie ein wunderbares Gefühl des Friedens. Cathy atmete tief die salzige Seeluft ein, die Mischung aus Fisch und Teer, die sie immer an die See erinnern würde. Lange Zeit blieb sie regungslos stehen und genoß die Nacht, bevor sie sich zu den Stufen umwandte, die zum Achterdeck führten. Sie war fast sicher, daß sie Jon dort finden würde, also würde sie dort ihre Suche beginnen.
Zuerst dachte sie schon, das Achterdeck sei ebenfalls verlassen, und sie runzelte ungläubig die Stirn. ]on würde die Wut packen, wenn er das wüßte. Eine seiner wichtigsten Maxime war, daß immer ein Mann auf Wache stehen mußte. Ihr Stirnrunzeln verstärkte sich noch, als sie sah, daß das Steuer festgebunden war. Wo waren die Männer alle? War etwas passiert, wovon sie nichts wußte? Dann, als sie um das Steuer herumlief und sich der Backbordseite näherte, erstarrte sie. Ihre Augen verengten sich und sie biß ihre Zähne zusammen, als sie plötzlich den Grund für die Totenstille erkannte.
Wie sie erwartet hatte, befand sich Jon tatsächlich auf dem Achterdeck. Er war damit beschäftigt, dieses Frauenzimmer Sarita zu küssen, die sich wie eine Weinranke an ihn klammerte.
Als sie ihnen zusah, verspürte Cathy einen Zorn, der sie zu zerfleischen drohte. Ihre Finger krümmten sich zu Klauen, und ihre Nägel bohrten sich tief in ihre Hände. Cathy spürte den Schmerz nicht einmal. Ihre ganze Aufmerksamkeit war auf die Silhouetten der beiden Körper gerichtet, die ebensogut eins hätten sein können. Der Anblick schmerzte sie so sehr, daß sie kaum noch atmen konnte. Sie hätte am liebsten geschrien, geweint, die beiden mit Gewalt auseinander gerissen! Aber sie tat nichts dergleichen. Sie stand wie angewurzelt und starrte dort hinüber, während jeder Tropfen ihres Blutes zu Eis geworden sein schien.
Sie mußte irgendein Geräusch gemacht haben, denn Jon hob auf einmal den Kopf. Über Saritas schwarzes Haar hinweg, trafen sich ihre Blicke. Cathy hatte erwartet, er würde die Frau zumindest von sich wegsto ßen, würde einen Versuch unternehmen, ihr das zu erklären. Statt dessen entdeckte sie nur Triumph
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