Hale 2 Freibeuter des Herzens
Cathy, die das Kommen und Gehen im Hafen durch ein Bullauge beobachtete, konnte die Luft in der Hitze flimmern sehen. Die Stadt selbst schien fast vollständig aus langen, niedrigen, weißen Häusern zu bestehen, die ihr fast unwirklich vorkamen. Menschen, ob Frauen oder Männer ließ sich nicht sagen, spazierten vorüber und trugen lange, weite, weiße Gewänder, die sie um ihren Leib geschlungen hatten.
Selbst ihre Köpfe waren damit bedeckt. Von Zeit zu Zeit kamen Reiter auf Kamelen vorbei, und dann sah Cathy eines der Boote der Cristobel wie es auf die Küste zuhielt. Jon saß im Bug, und etwa sechs Männer bedienten die Ruder. Als sie zusah, wie das kleine Boot verschwand, machte sich ein Gefühl der Trauer in ihr breit. Sich selbst versagte Jon offensichtlich nicht die Freuden, an Land zu gehen.
»Wenn die Katze aus dem Haus ist, tanzen die Mäuse. « Unzählige Male hatte Cathy gehört, wie Martha diesen Spruch getan hatte. Jetzt wurde ihr zum erstenmal richtig bewußt, was sie damit gemeint hatte. Sie fühlte sich tatsächlich, wie eine kleine, graue Maus, als sie jetzt aus der Kabine schlich. Und sie verspürte keinerlei Schuldgefühle dabei. Warum sollte sie auch? Jon wollte nur wieder seine Macht ausspielen, als er ihr befahl, in der Kabine zu bleiben, wie immer. Also würde sie gar nicht daran denken, seinen Worten Folge zu leisten.
Die Männer waren viel zu aufgeregt, seit Wochen das erste Mal dem Land wieder so nahe zu sein, daß sie Cathy keinerlei Beachtung schenkten, als sie an der Reling entlang spazierte. Aus ihren Unterhaltungen schloß sie, daß sie in kleinen Gruppen an Land gehen durften, vorausgesetzt, sie blieben beisammen und machten keinen Ärger. Nach dem, was der Captain gesagt hatte, erzählte ein grauhaariger, alter Mann, hatten die Berber, um die es sich hier handelte, und die nicht mit Arabern zu verwechseln waren, äußerst strenge Gesetze, was das Trinken und Frauen anbelangte: der kleinste Tropfen Alkohol würde darin resultieren, daß man öffentlich ausgepeitscht wurde, während das Berühren einer Frau, die nicht die eigene Frau war, unweigerlich den Tod zur Folge hatte. Cathy fragte sich, weshalb die Männer dann überhaupt noch an Land gehen wollten, denn Frauen und Alkohol waren das einzige, worum es den Seeleuten gewöhnlich ging. Sie selbst würde zu gerne nur einfach deshalb an Land gehen, um auf etwas zu treten, was nicht hin und her schwankte, aber Männer - sie schürzte verächtlich die Lippen - Männer waren wie Tiere: ihr Verlangen war stärker als alles andere, einschließlich der Vernunft. Sie wettete, die Besatzung der Cristobel würde der Versuchung nicht widerstehen können und sich über alle Warnungen hinwegsetzen.
Der Sonne nach zu urteilen, schätzte Cathy die Tageszeit auf den frühen Abend. Die Luft wurde bereits merklich kühler. Vage erinnerte sie sich daran, einmal gehört zu haben, daß die Nächte in Wüstenländern bitterkalt sein konnten. Sie setzte sich auf die Heckreling und atmete tief die frische Luft ein.
»Ganz schön eingebildet, was? « zischte ihr eine bösartige Stimme ins Ohr. Cathys Muskeln verkrampften sich, als sie Saritas Stimme erkannte. Sie hatte mit der Frau kaum ein Wort gewechselt, seit sie damals während des Sturms in einer Kajüte gewohnt hatten, aber ihr war aufgefallen, daß Sarita ihr gelegentlich giftige Blicke zuwarf. Warum, wußte sie nicht. Eifersüchtig konnte sie nicht auf sie sein. Alles, was in diesem Spiel schließlich zählte, war der Besitz, und nach diesem Gesetz gehörte Jon mittlerweile fast vollständig Sarita.
»Hast dich wohl für sehr schlau gehalten, indem du dich von ihm hast schwängern lassen, was? « fuhr Sarita fort, als Cathy auf ihre erste Stichelei nicht einging. Jetzt bist du fett wie ein Schwein, und er will mich! Und die feine Lady wird einen Bastard zur Welt bringen, für den sie keinen Vater hat! «
Cathy spürte, wie ihr die Haare im Genick zu Berge standen. Ob sie es merkte oder nicht, Sarita bewegte sich auf gefährlichen Pfaden. Allein die Bezeichnung »Bastard«, in Verbindung mit Cray, hatte Cathy früher rot sehen lassen. Sie stellte jetzt fest, daß sie ähnlich bei ihrem neuen Kind fühlte.
»Wenn du nicht auf deine Zunge aufpaßt, werde ich sie dir herausreißen«, sagte sie mit zuckersüßem Lächeln und blickte die Frau erstmals seit Beginn dieses Zusammentreffens an. Sarita erschrak offensichtlich. Dann, als ihre Augen über Cathys angeschwollenen Bauch strichen, wurde
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