Hallo Doktor
gelassen, wenn man dich brauchte, und dafür zahlst du einen Preis.”
Michelle musste gegen die aufsteigenden Tränen ankämpfen. „Du verstehst das nicht.
Manchmal war ich nur für dich da, weil ich es musste, nicht weil ich es wollte.”
„Soll das etwa heißen, dass du mich nicht geliebt hast?”
„Nein!” Michelle senkte die Stimme. „Ich habe dich geliebt. Das tue ich immer noch. Aber manchmal war ich wütend auf dich, weil du krank warst, und dann schämte ich mich deswegen.”
Brooke atmete rasselnd ein. „Glaubst du vielleicht, ich hätte dich nicht manchmal gehasst?
Du warst Cheerleader. Ich war der typische Bücherwurm. Glaubst du nicht, dass ich dich beneidet habe? Ich habe dich darum beneidet, dass sämtliche Jungs in dich verliebt waren.
Und ich habe dich um deine gesunden Lungen beneidet. Und wo wir schon dabei sind, können wir auch gleich zum Kern dieser ganzen Geschichte kommen.”
„Was meinst du damit?”
„Du fühlst dich schuldig, weil du das gesunde Kind bist. Das ist es doch, oder? Wenn du könntest, würdest du, ohne zu zögern, meinen Platz einnehmen.”
Michelle dachte einen Moment darüber nach. War es das wirklich? Fühlte sie sich schlecht, weil sie die „Gesunde” war? Jetzt spielte es keine Rolle mehr. Das Einzige, was jetzt zählte, war, es Brooke gegenüber irgendwie wieder gutzumachen.
„Es tut mir so Leid, Brooke. Ich hätte dich nie so aufregen dür fen.”
„Mir geht es gut.” Sie hustete erneut, diesmal heftiger. „Ich muss Schluss machen. Ich fühle mich im Augenblick nicht besonders gut.” Sie hörte sich auch schlimm an.
„Brooke, ich hoffe, ich habe nichts ausgelöst …”
„Du hast nichts ausgelöst, Shelly.” Brooke atmete schwer ein. „So viel Einfluss hast du nicht auf mich. Das Asthma unglücklicherweise schon. Wir unterhalten uns weiter, sobald du zu Hause bist.”
Dann war die Leitung tot. Sie legte den Hörer des schnurlosen Telefons beiseite und starrte es einige Minuten an. Wie konnte sie nur so unsensibel sein und Brooke so aufregen?
Michelle vergrub das Gesicht in den Händen und weinte. Weinte über die Tatsache, dass sie der Beziehung zu ihrer Schwester möglicherweise nicht wieder gutzumachenden Schaden zugefügt und Brookes Leiden verschlimmert hatte. Weinte, weil ihr das Glück, das sie in Nicks Armen empfunden hatte, so unverdient vorkam. Weinte, weil sie tief in ihrem Innern wusste, dass sie dabei war, sich in ihn zu verlieben und ihr das fast so viel Angst machte, wie Brooke aufzuregen.
„Ist ja gut, Liebes.”
Nicks starke Arme drückten sie an seine harte Brust. Er hielt ihren Kopf unter seinem Kinn, während sie unkontrolliert schluchzte. Sie genoss seinen Trost, fand andererseits jedoch, dass sie ihn nicht verdiente. Trotzdem klammerte sie sich an ihn, bis die Tränen allmählich versiegten.
Schließlich sah sie in seine verständnisvollen braunen Augen und murmelte eine lahme Entschuldigung.
Er küsste ihr Gesicht, ihre Lippen und sagte: „Es braucht dir nicht Leid zu tun. Aber du solltest mit mir darüber reden.”
„Ich weiß nicht, ob ich das kann.” Ihre Worte gingen in einem Schluchzer unter. „Ich muss nach Hause. Ich muss nach Brooke sehen.”
„Brooke hat Jared, der sich um sie kümmert. Du musst wieder ins Bett kommen, damit ich mich um dich kümmern kann, zumindest noch eine Weile.”
Sie schniefte. „Mir geht’s gut. Wirklich.”
Er strich mit den Fingerknöcheln über ihre feuchte Wange. „Ein Nein akzeptiere ich nicht.
Ich werde für dich da sein und zuhören, wenn du bereit bist, darüber zu reden. Wir können uns aber auch einfach nur in den Armen halten. Ganz wie du möchtest.” Er stand auf und zog sie hoch. „Ich hole uns Kaffee und bin in einer Minute wieder da. In der Zwischenzeit wasch dein Gesicht und warte auf mich.”
„Ich weiß nicht…”
Er legte ihr den Zeigefinger auf die Lippen. „Alles, was du wissen musst, ist, dass ich für dich da bin. Alles Weitere wird sich finden. Versprichst du, mir nicht wegzulaufen?”
Sie nickte, und er gab ihr einen Kuss. „Gut. Ruf mich, falls du sonst noch irgendetwas brauchst.”
Momentan brauchte Michelle nur Nick, und das machte ihr beinah so viel Angst, wie Brooke gegenübertreten zu müssen, sobald sie wieder zu Hause war. „Okay.”
Nick ging in die Küche, und Michelle ging zurück ins Bett. Sie stellte das Telefon in die Ladestation, lehnte sich gegen das Kopfteil und drückte sich ein Kissen an ihre Brust. Sie
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