Hallo, Fräulein!: Winterzauber (German Edition)
hoffen, dieser verfahrenen Situation so schnell wie irgend möglich entschlüpfen zu können. Am Beifahrersitz höre ich verschwommen Nike rezitieren und im Bereich der zum Zerbersten angespannten Luft des Großraumtaxis - beziehungsweise im momentan prädestinierten Krankentransport - schwafelt ausschließlich Riccardo.
Nachdem wir Kunigunde in der Notaufnahme abgeliefert haben, bleiben Nike und ich im Foyer zurück. Ich will eigentlich nur noch nach Hause. Die beiden Wohnungen gehören dringend wieder in den Normalzustand versetzt und anschließend möchte ich diesen desaströsen Abend mit einer Magnum Flasche Wein beenden (die muss ich allerdings allein bechern, da Nike momentan ja in anderen Umständen ist aber nach den letzten Stunden schaffe ich diese gewiss spielend).
»Wir setzen dich schnell im Hotel ab. Ich fahre noch mit Amelie und Nike mit«, teilt Francesco Frau Langbein mit.
(Aha! Die beiden duzen sich auch öffentlich. Nun, warum auch nicht! Wer miteinander Büro, Bett und Sonstiges teilt, sollte sich auch in Gesellschaft nicht verstecken müssen!)
»Mach dir bloß keine allzu große Mühe! Wir nehmen uns ein Taxi«, protestiere ich bockig.
»Ich will noch mit dir sprechen!«
»Ich aber nicht mit dir«, entgegne ich ihm widerspenstig und dabei funkle ich ihn nach wie vor fuchsteufelswild an. »Das führt doch ohnehin zu nichts. Du verschwendest nur meine und deine Zeit!«
»Du fährst jetzt mit dem Taxi nach Hause, beruhigst dich und ich komme in einer halben Stunde nach!« Francesco lässt nicht locker und sein befehlender Tonfall gefällt mir dabei ganz und gar nicht.
»Ich bin ruhig«, antworte ich ihm trotzig.
»Gut! Ich will dir das alles erklären«, sagt er beschwichtigend und anschließend tritt er unwillkürlich an mich und mein desolates Herz heran.
Ich kann ihm kaum in die Augen blicken. Kurz entschlossen senke ich den Blick, aber sein betörender Duft umwirbelt weiterhin meine Gedanken und meine Sinnesreize. Meine Gefühle spiegeln Verbitterung und Traurigkeit wider, und schlussendlich bin ich auch noch maßlos enttäuscht. Ich blicke noch immer starr zu Boden. Langsam scheine ich die Episoden dieses Abends zu erfassen. Francesco hat eine Liaison mit seiner Mitarbeiterin. Schmerzhaft wird mir bewusst, dass er mich betrogen hat. Wahrscheinlich sogar die ganze Zeit. Und noch eines ist mir mit einmal klar: Ich bin nach wie vor das naive Frauenzimmer von anno dazumal. Ich bin noch immer jenes dumme Mädchen, das, so gerne sie auch heute mit ihrer scheinbaren Lebenserfahrung und ihrem Scharfsinn prahlt, noch immer nichts dazugelernt hat.
Mit einem Mal muss ich jetzt sogar gegen das aufkommende Gefühl, einem unbändigen Tränenausbruch nahe zu sein und diesen tunlichst unterdrücken zu müssen, ankämpfen.
Francesco packt mich einstweilen am Ellbogen und bugsiert mich aus der Umgebung unserer unmittelbaren Zuhörerschaft.
»Ich glaube, dass ich mir deine Erklärung schon wunderbar ausmalen kann«, würge ich leise hervor.
»Ich habe mir diese bizarre Geschichte, die zugegeben ein bisschen verrückt klingt, die aber auf der einen Seite schon wieder so unbegreiflich ist, dass sie sich wahrscheinlich tatsächlich so zugetragen hat, wie mir Riccardo auf der Fahrt hierher tausendmal versichert hat, angehört und nun erwarte ich von dir dasselbe Zugeständnis«, sagt er sanft und dabei streicht er mir behutsam eine Haarsträhne hinter das Ohr.
Ich kann ihm einfach nicht ins Gesicht sehen. Und diese Berührung, diese zärtliche Geste der Vertrautheit, ist ihm denn nicht bewusst, dass ich dabei Höllenqualen leide!
»Gib uns eine Stunde Zeit, wir müssen noch einiges umräumen«, mischt sich Nike brüsk ein, und bevor ich protestieren kann, schleift sie mich zum Taxistand um die Ecke. »Hör dir seine Erklärung wenigstens an!«, fordert sie mich im Taxi eindringlich auf.
»Aber du hast doch seine Privatsekretärin gesehen. Was gibt es da noch zu besprechen oder zu erklären, frag’ ich dich! Er ist ein zweiter Bernie und nichts weiter«, gebe ich niedergeschlagen zurück. »Ich will heute nur noch meine Ruhe haben!«
»Hör dir an, was er zu sagen hat und danach kannst du immer noch entscheiden! Okay?«
»Hmmm … Okay!«
Francesco erscheint pünktlich. Es ist mittlerweile kurz nach zwei Uhr morgens, aber ich bin dermaßen aufgewühlt, dass ich trotzdem oder gerade deswegen kein Schlaf- oder Müdigkeitsbedürfnis empfinde. Während es sich Francesco auf der Couch gemütlich macht,
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