Hallo, Fräulein!: Winterzauber (German Edition)
Abteilung besitzt einen Apparat, wo die Nummer des Anrufenden ersichtlich ist, nur wir nicht. Ich hätte beispielsweise jetzt dieses Gespräch nie im Leben angenommen beziehungsweise ich hätte den Telefonhörer gleich wieder auf die Gabel gewichst! Ja, was bildet sich dieser dermaßen ungehobelte, widerwärtige, informationsgeile und provokante Klotz eigentlich ein! Befehlston in Reinformat! Einen Dreck werde ich machen!
Elender Judas!
»Ich denk nicht dran!«, entgegne ich energisch.
»Wir müssen SIE unbedingt sprechen.«
»Wer ist wir?«, frage ich etwas unsicher nach.
»Frau Rottmayer und ich.«
Oh, unsere liebenswürdige Managerin Rottmayer (an dieser Stelle kann ich Ihnen versichern, dass es kein Zufall ist, dass diese Person namensgleich mit der bösen Tante von Heidi aus den Bergen ist) wünscht mich zu sprechen. Aber wieso in Gerhards Büro? Nun ja, werde eben kurz hinaufsausen und mich diesbezüglich informieren.
»Gut, ich bin auf dem Weg«, erwidere ich und knalle den Hörer auf die Gabel. Elvira sieht mich horchend an. »Frag nicht, ich weiß auch noch nichts Konkretes. Muss schnell in den ersten Stock. Bitte wirf ein Auge auf meine Station!«
»Herein!«, ertönt die Stimme des Leibhaftigen. Mit lautem Getöse öffne ich die Tür zu Gerhards Büro, damit ich die vorliegende Sachlage schnell abklären und einschätzen kann. Oh, verdammt! Die Klinke ist mir aus der Hand gerutscht und knallt schwungvoll rücklings auf einen Widerstand.
»Autsch! Na heute bist DU aber brandgefährlich unterwegs!«, erdröhnt es seitens der Tür.
»DU!«, gebe ich leicht überrascht zurück.
Ich luge vorsichtig hinter die Tür, da schnappt mich Gerhard mit festem Griff am Arm und zieht mich in sein Büro. Knall auf Fall ist die Tür wieder verschlossen.
»Lass mich gefälligst los!«, brülle ich ihn an, währenddessen sein Griff noch kräftiger wird.
»Beruhige dich!«
»Ich soll mich beruhigen!«, kreische ich ihn gereizt an. »Das kannst du haben, lass mich sofort los! Mich unter einem derart billigen Vorwand hierher zu zitieren.«
»Ich will mit dir sprechen.«
»Ich aber nicht mit IHNEN!«
»So hör mir doch eine Minute zu!«, ersucht er friedsam. Ich will gerade hartnäckig Widerspruch einlegen, aber er ist eindeutig schneller. »Kurt hat uns gesehen.«
»Welcher Kurt? Was redest du, Verzeihung SIE, da nur?«
»Kurt Wellerstin.«
»Nie gehört. Wer soll das sein?«, frage ich teilnahmslos.
»Kurt ist einer der Weinlieferanten des Hotels und er ist zugleich auch mein Nachbar. Er hat uns beide nach Hause kommen sehen. Gestern hat er uns beliefert und ein Schwätzchen mit Herrn Furner 28 abgehalten. Das Weitere brauche ich dir dann wohl nicht mehr zu erklären, oder?«
Ich bin fassungslos. Mir fehlen ausnahmsweise die Worte. Knisternde Stille kehrt unverzüglich im Büro ein.
O ich dumme Pute! An eine derartige Möglichkeit habe ich bislang noch gar nicht gedacht. Tja, soviel zu: unschuldig, bis seine Schuld bewiesen ist.
Weiberabend
Es ist schön, den Augen dessen zu begegnen,
dem man soeben etwas geschenkt hat.
(Jean de la Bruyère)
Am besagten Dienstag des Gerhard Bekenntnisses treffe ich zum vereinbarten Termin in der Trattoria Venezia ein. Caro scheint bedeutend früher hier angekommen zu sein, denn vor ihr dampft bereits eine köstliche Tomatencremesuppe mit frischem Basilikum.
»He, Caro! Guten Appetit!«, wünsche ich ihr und studiere daraufhin ebenfalls die Speisekarte.
»Hi, Amelie!«, ruft mir Georg vom Tresen her zu. »Das Übliche?«
(Was eine perfekt abgestimmte Kombination aus einem edel mundenden Glas Welschriesling und einem neutralen Glas Leitungswasser ist.)
»Ja, und die Tagliatelle mit den Pilzen und Cherrytomaten bitte!«, hänge ich noch an.
»Und, was gibt’s News?«, fragt Caro.
Bin ich froh, dass sie gleich zum Wesentlichen kommt. Diesen Charakterzug schätze ich sehr an ihr. Ich habe ihr sooo viel zu erzählen und die Zeit drängt. Ich berichte ihr kurz von meiner heutigen intoleranten Torheit.
»Demnach hatte Gerhard heute also einen kohlrabenschwarzen Tag, nicht wahr?«, stellt sie scherzhaft lachend fest.
»Tja, das mit seinem Anzug ist ja nicht sooo schlimm, aber die Beule auf seinem Kopf!!!«, bemerke ich mitfühlend. »Das ist wirklich nicht zu entschuldigen. Dabei bin ich an und für sich überhaupt kein gewalttätiger Mensch, aber da ist wohl eine Sicherung bei mir durchgebrannt. Nun, im Grunde, wenn ich’s genau
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