Hals über Kopf: 9. Fall mit Tempe Brennan
sein würde.
»Haben Sie auch schon in anderen GMC-Ambulanzen gearbeitet?«
Berry schaute mich nur kalt an und deutete zu den Plastikstühlen.
»Was ist? Rede ich schon wieder unhöflich?« Ich konnte mich kaum noch zügeln.
Wieder deutete Berry nur auf die Stühle.
Das legte den Schalter nun vollends um.
»Wie ist das gelaufen? Haben Sie den Job bekommen, als Helene verschwand?«
Berry wandte sich ab.
Ich überlegte mir eben eine noch blödsinnigere Stichelei, als Ryan mir besänftigend die Hand auf die Schulter legte. Ich hatte genau das getan, wovor Gullet mich gewarnt hatte. Hatte freiwillig Informationen preisgegeben, ohne etwas dafür zu bekommen. Verärgert setzte ich mich auf den Stuhl neben Ryan.
Berry stand auf und verschloss die Vordertür, dann kehrte sie wieder an ihren Schreibtisch zurück und beschäftigte sich mit Papieren.
Zehn Minuten verstrichen.
Ziegenbart kam mit einer kleinen, weißen Tüte wieder. Berry ließ ihn hinaus. Kurze Zeit später kam Ronnie.
Ab und zu hob ich den Kopf und sah, dass Berry uns beobachtete. Sie wandte schnell den Blick ab und raschelte mit Papier. Die Frau schien Unmengen von Papieren zu verwalten.
Um sieben stand ich auf, ging ein paarmal auf und ab und setzte mich wieder.
»Meinst du, Marshall hat sich hinten rausgeschlichen?«, fragte ich Ryan leise.
Ryan schüttelte den Kopf. »Der Pitbull bewacht noch immer die Vordertür.«
»Habe ich es getan?«
Ryan starrte mich verständnislos an.
»Habe ich mich davongeschlichen? Habe ich mich in Luft aufgelöst? Daniels tat so, als wäre ich überhaupt nicht da.«
»Der Pitbull hat dich durchaus bemerkt.«
Ich starrte Ryan böse an.
»Okay. Dem Personal fehlen gewisse soziale Fähigkeiten.«
»Die GMC sollte ein bisschen Geld in Personalschulung investieren, Sensibilitätstraining und so. Vielleicht gibt’s ja irgendwo zwei Kurse zum Preis von einem.«
»Ich dachte, du hattest nicht vor, nach Flynn zu fragen«, sagte Ryan mit leicht vorwurfsvollem Unterton.
»Wollte ich auch nicht. Daniels hat mich provoziert. Berry hat mich provoziert. Und dann kam mir der Gedanke, dass Berry und Flynn, falls sie je zusammengearbeitet haben, vielleicht über das eine oder das andere gesprochen haben.«
Ryan machte ein skeptisches Gesicht.
»Sie hätten ja Freundinnen sein können.« Gereizter als beabsichtigt.
Ich lehnte mich zurück und kaute an einem Fingernagel. Ryan hatte Recht. Es war unwahrscheinlich, dass Berry und Flynn viel gemeinsam hatten. Und um ehrlich zu sein: So weit hatte ich eigentlich gar nicht gedacht. Es war ein von der Wut provozierter Impuls gewesen. Vielleicht hatte ich völlig unnötig einen Trumpf aus der Hand gegeben.
»Willst du dir Marshall vornehmen?«, fragte ich.
»Meine Beteiligung ist strikt inoffiziell.« Ryan ahmte Gullets monotones Näseln nach.
»Du hältst das für Zeitverschwendung, oder?«
»Vielleicht. Aber ich schaue sehr gerne zu, wenn du Leuten in den Hintern trittst.«
»Ich bin sicher, dass die Tote aus dem Fass Montague ist. Ich will einfach nur aus diesen Leuten hier ein bisschen was herausbekommen.«
»Tut mir Leid, dass ich Sie so lange haben warten lassen.«
Ryan und ich hoben den Kopf und sahen einen dunkelhaarigen Mann im Eingang zum Korridor stehen. Obwohl nur von durchschnittlicher Größe, war er sehr muskulös, und er trug einen weißen Labormantel, eine graue Bundfaltenhose und italienische Schuhe, die wahrscheinlich mehr gekostet hatten als mein Auto.
»Dr. Lester Marshall. Es tut mir Leid, aber mein Pfleger hat leider Ihre Namen nicht notiert.«
Ryan und ich standen auf. Ich stellte uns vor, wobei ich bei unseren Zugehörigkeiten etwa vage blieb. Marshall fragte auch nicht weiter nach. Anscheinend hatte Corey Daniels ihn ausreichend informiert.
»Mein Pfleger sagt mir, Sie interessieren sich für Unique Montague. Darf ich fragen, warum?«
Das Papierrascheln hinter uns hörte plötzlich auf.
»Wir glauben, Sie könnte tot sein.«
»Lassen Sie uns in meinem Büro darüber sprechen.« Zu Berry: »Corey ist schon weg, Adele. Sie können auch gehen. Wir sind für heute fertig.«
Die Anlage des Erdgeschosses deutete darauf hin, dass diese Ambulanz ursprünglich ein Privathaus gewesen war. Während Ryan und ich Marshall den Gang hinunter folgten, sah ich zwei Untersuchungszimmer, eine Küche, ein großes Materiallager und ein Bad.
Marshalls Büro lag im hinteren Teil des ersten Stocks und dürfte früher ein Schlafzimmer gewesen sein. Vier weitere
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