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Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall

Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall

Titel: Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Fu , Asmin Deniz
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Familienmitglieder hatte durchsetzen müssen.
    Nevin
war so … Kadir suchte nach Worten, so … verdammt gradlinig, nahezu
eindimensional! Es schien ihm, als gäbe es für sie nur einen einzigen Weg der
Kommunikation, nämlich den, alles offen darzulegen, egal wie unpassend und
unangemessen dies war, um nur ja keinen Zweifel an ihren Plänen aufkommen zu
lassen. Sollte er solche Gradlinigkeit, diese Form der Ehrlichkeit nicht
bewundern?
    Kadir
seufzte. Vielleicht sollte er das, aber ihr schonungsloser Vorstoß hatte sie,
er fühlte es deutlich, entzaubert, er hatte das verschwommene Gefühl, dass sie
ihn in ihren Plan eingezwängt hatte wie ein Puzzleteilchen, das sie schon lange
gesucht und nun endlich gefunden hatte. Die Kadir-Eckdaten, die
Kadir-Koordinaten stimmten, mehr brauchte es nicht. Perfektes
Ehepartner-Material. Seine Gefühle für Nevin waren noch zu ungenau, erst im
Wachsen begriffen, nur eine kleine Flamme, die leicht erstickt werden konnte.
Und das hatte sie geschafft.
    Arme
Mutter, dachte Kadir, schon wieder nichts mit Heirat! Armer Onkel Yusuf, der
diesen Umstand bei Latife würde ausbaden müssen, denn wie konnte Yusuf eine
Frau anschleppen, die den Ansprüchen ihres bebegim nicht gerecht wurde?
Nun, auch seine Mutter hatte nur die Nevin-Eckdaten und –Koordinaten geprüft,
aber das war das Vorrecht der Mütter. Nevins Part wäre es gewesen sich zu
verlieben.
    Ein
paar Hunde jagten sich bellend die Straße hinunter. Kadir verschränkte die Arme
hinter dem Kopf und dachte an seinen Onkel Yusuf, der vielleicht gerade
traumverloren den Strand entlang schlenderte, seine Kamera gezückt, um ein
perfektes Stück »Nachtsand« zu erwischen. Ein kleinerer Hund jaulte vor seinem
Haus und ein paar Nachbarskinder rannten zur Dachbrüstung und beugten sich wild
gestikulierend darüber, um zu sehen, was sich auf der Straße tat.
    Kadir
dachte an seinen letzten Sommer in Dereköy, ein paar Monate, bevor sie nach
Köln gezogen waren. Heiß war es gewesen, unerträglich, selbst die alten Leute
konnten sich nicht erinnern, eine solch mörderische Hitze über so viele Wochen
hinweg erlebt zu haben. Die Berge hinter dem Dorf flimmerten, die Felder lagen
braun und verdorrt. Das Meer war fast zu warm zum baden und der Sand verbrannte
die Fußsohlen. Nachts schleppten Kadir, Aylin und Sevda ihre Matratzen aufs
Dach und lagen matt vor Hitze mit ausgebreiteten Armen und Beinen auf ihren
Laken.
    Der
kleine Hund bellte nun fröhlich und Kadir sah zu wie die Kinder ihm lachend poca hinunterwarfen, auf die er sich stürzte.
    In
jenem Sommer war Onkel Yusuf das erste Mal aus Deutschland wiedergekommen,
Koffer und Taschen voller bizarrer Geschenke quollen ihm voran aus dem Bus und
dann stand er da, auf dem Dorfplatz, ein kleiner Mann im buntkarierten Anzug
mit breitem Revers über seiner stolzgeschwellten Brust! Hier bin ich, stand auf
seiner hochgereckten Stirn geschrieben, ein Mann, der es im Ausland geschafft
hat, ein Self-Made-Man, seht mich und meine edle Kleidung, das echte Gold auf
meiner Brust an! Sevda presste die Hände auf ihren Mund und gab gurgelnde Laute
von sich, während sie Kadir in die Seite stupste und mit dem Finger auf Onkel
Yusufs blankgewienerte Schuhe deutete. Weißer Lack, hohe Absätze, Trotteln an
einer silbernen Schnalle! Wo hatte man so etwas schon gesehen?
    Und
was erzählte er für wundersame Dinge über das fremde Land! Latife hörte ihm mit
angehaltenem Atem zu, Kinder, stellt euch vor, ein Land bedeckt mit Blumen
aller Art, wie herrlich bunt und schön, Nazmi, da wollen wir auch hin! Jeder, erzählte Yusuf, auch der Ärmste der Armen besaß in Deutschland ein Haus,
ein Auto, einen – man stelle sich das vor! – eigenen Fernsehapparat, nicht nur
schwarzweiß sondern sogar in Farbe!
    Und
nun lagen die Kinder auf dem Dach und warteten, zählten langsam die Minuten,
bis es an der Zeit war aufzustehen und sich hinter der Brüstung zu verschanzen.
Onkel Yusuf wollte die Familie an jenem Sommerabend besuchen, und Kadir sah ihn
als Erster um die Ecke biegen. Aufgeregt balgten sich die Kinder um den besten
Platz. Onkel Yusuf hatte erzählt, dass die Deutschen mit ihren Hunden zusammen
im Haus lebten, und sie gingen mit den Tieren höchstpersönlich und sehr
gesittet spazieren – da gab es kein Hetzen, Durcheinanderrennen und Springen,
denn jeder Hund war an ein Seil gebunden, eine sogenannte Leine , die man
an einem Halsband festmachte. Mit dieser Vorrichtung versehen war es möglich,
dass der

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