Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall
eine
eifersüchtige Reaktion hervorzurufen. Ich glaube nicht, dass wir nach einem
echten Russen suchen müssen, aber ich frage trotzdem mal im Emir Palace nach.«
»Oh
Mann, was für eine verworrene Geschichte! Und wir sind keinen Deut weiter. Aber
soll ich Ihnen etwas sagen?« Bülbül stand auf und nahm seine Uniformjacke vom
Stuhl. »Zum ersten Mal tut mir diese Bernadette Fischbach von Herzen Leid.«
Kapitel 9
- Eine gepflegte Damenrunde -
Latife
Bülbül hob den Kopf und zog mit beiden Händen die Haut ihres Doppelkinns
straff. Gurgelnd befahl sie ihren Freundinnen genau hinzusehen.
»Sie
hat nur einen einzigen Blick auf diesen Fleck geworfen und sofort
erkannt, dass es kein bösartiges Geschwür ist! Welcher Arzt kann heutzutage
noch so eine treffsicher Diagnose aus dem Stehgreif machen, wo sie erst einmal an
einem rumschaben, pieksen und Proben abnehmen, die dann in irgendwelchen Labors
in der Hauptstadt vergammeln? Und solange bekommt man keine Antwort, kein
Nicken, kein Kopfschütteln, stattdessen immer nur Schulterzucken!«
Hatun
und Ayse nickten und grunzten zustimmend, ja, da hatte Latife Recht, genau so
war es!
»Aber
nicht meine zukünftige gelin ! Nevin sagt immer sofort was Sache ist, und
dabei ist sie noch so jung, ein richtiges Küken, man kann kaum glauben, dass
sie eine Studierte ist, keinen Tag älter als siebzehn sieht sie aus ...«
»Ach, canim .«, unterbrach Ayse und reichte die Tüte mit den Sonnenblumenkernen
an Hatun weiter. Die drei Frauen saßen nebeneinander auf ihren
Plastikklappstühlen vor Hatuns und Latifes Mehrfamilienhaus und beobachteten
das morgendliche Treiben in der Straße. Hatun knetete die Tüte, drehte sich dann
zu Latife und rollte mit den Augen – wieder diese billige Sorte, in der mehr
Schalen als Kerne zu finden waren! Latife ließ ihr Kinn los und steckte eine
Hand in die Plastiktüte, wühlte demonstrativ lange darin herum und zog die
Finger mit einem bedauernden Schütteln wieder hervor. Ayse tat so, als habe sie
nichts gemerkt, und strich die Falten ihres salvar glatt, fuhr, wie in
Gedanken versunken, mit der Fingerspitze über die Ränder des pinkfarbenen und
grünen Blumenmusters. »Ich habe Nevin neulich auf dem Markt gesehen.«, sagte
sie. »Wirklich eine bildschöne junge Frau, die ...«
Latife
lächelte selbstzufrieden und verlagerte ihr Gewicht, um näher an die Freundin
zu rücken, die so Schmeichelhaftes über die Mutter ihrer zukünftigen Enkel zu
sagen wusste.
»...
die aber, so meine ich, zu diesem Frauentyp gehört, der früh aufblüht, reift
und dann...« Ayse beugte sich hinter Hatuns Rücken zu Latife und schnippte
energisch mit den Fingern vor Latifes Gesicht.
» ZACK! mit einem Schlag verblüht! Zack , eines Morgens steht sie auf und
fragt sich Wer ist diese alte verschrobene Schachtel dort im Spiegel? «
Latife
zuckte zusammen, fasste sich aber sofort wieder. Sie drückte Hatun noch ein
Stück weiter nach vorne, um sich ebenfalls Platz hinter ihrem Rücken zu
verschaffen, und schob sich so nahe an Ayse heran, wie ihr zwischen den
Plastiklehnen eingeklemmter Bauch und das drohende Knirschen ihres Klappstuhls
es zuließen. Hatun seufzte und ruckelte ihr tülbent zurecht, an dem
Latifes schaufelnder Arm hängen geblieben war.
»Und
selbst wenn es so wäre, und ich sage nicht, dass es so ist, oh nein, eher
schneide ich mir die Zunge raus, als dass ich dir zustimme, denn du hast ihre
Haut nicht so oft und ausgiebig gesehen wie ich, aber gut, aber gut! Also,
selbst wenn: Was braucht meine Nevin ihre Schönheit, wo sie doch so ein kluges,
gebildetes Mädchen ist, Ärztin mit einem eigenen Behandlungszimmer und einer
Sprechstundenhilfe, die ihre Telefonate annimmt und ihr Tee, Krankenblätter und
Gebäck bringt? Eine Expertin ist sie, eine Spezialistin, die ihresgleichen
sucht, eine Göttin in Weiß, die diesen schlimm aussehenden Fleck auf
meinem Kinn sofort als harmlosen Leberfleck identifiziert hat!«
»Hatun
und ich haben dir beide schon lange vorher gesagt, dass es nur ein Leberfleck
ist! Stimmt’s, Hatun?«
Latife
schüttelte den Kopf über soviel Naivität, hievte sich mit einem langgezogenen Baaah wieder auf ihren Stuhl zurück und setzte sich aufrecht und stolz in
Positur. Nur ihr Kinn vibrierte noch leicht und zeigte ihre Anspannung.
»Wie
kann ich Euch denn glauben? Sag mir das! Habt Ihr eine medizinische Ausbildung?
Soll ich mein Leben von Eurer Meinung abhängig machen, soll ich mein Leben
drangeben, nur weil eine von
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