Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall
Euch meinen Hautkrebs nicht erkennt, wenn es drauf
ankommt? Ich soll sterben, obwohl ich eine Ärztin in der Familie habe?«
»Dein
Sohn ist doch noch gar nicht mit ihr verheiratet!«, warf Hatun ein und legte eine
Hand auf ihren schmerzenden Rücken.
»Jetzt
fang du auch noch Streit an!«, schmollte Latife und warf der Freundin einen
scharfen Blick zu. »Aber Kadir wird sie bald fragen, verlasst Euch drauf!
Momentan hat er nur soviel zu tun, er muss schließlich den Mörder von dieser
unseligen Ausländerin jagen. Aber er macht große Fortschritte, Ihr könnt also
beruhigt bei offenem Fenster schlafen.«
»Ich
habe nicht gehört, dass er schon einen einzigen Schritt weiter ist.«, bemerkte
Hatun, deren Neffe Levent einer der zwei Hilfspolizisten von Kommissar Refik
Dalga war. »Aber ich kann Euch etwas verraten, Ihr dürft es nur unter gar keinen
Umständen weitersagen, es soll nämlich keinesfalls bekannt werden, es ist streng geheim und darf nicht an die Öffentlichkeit dringen, bevor die polizeilichen
Untersuchungen abgeschlossen sind.«
Latife
und Ayse beugten sich ruckartig vor und fielen synchron über Hatun her, die
ruhig und gelassen in ihrer Mitte saß und die Arme über der Brust verschränkte.
»Ich
habe neuerdings so ein Ziehen an meiner rechten Hüfte, ob ich dazu einmal deine
künftige Schwiegertochter ansprechen dürfte?«, fuhr sie unschuldig und geziert fort
und betrachtete zufrieden unter halbgeschlossenen Lidern die aufgeregten Gesichter
ihrer Freundinnen.
»Blablabla,
was redest du da? Ja, sicher kannst du das, aber wen interessiert dein Hüftreißen,
oder was immer es ist! Es wird schon kein Krebs sein!«, schimpfte Latife und
wischte mit einer energischen Handbewegung die Konversationsgegenstände Nevin
und Krankheiten beiseite.
»Was
weißt du, raus mit der Sprache, wir schweigen wie Gräber!« Ayse presste zur
Bekräftigung die Lippen fest aufeinander und Latife schüttelte heftig den Kopf,
als würde sie von böswilligen Schergen verhört und verweigerte standhaft und
energisch die Aussage. Hatun sah von einer zur anderen und platze dann heraus:
»Der komiser hat einen Verdächtigen festgenommen, stellt Euch vor, natürlich
ist es auch so ein Ausländer! Die bringen sich noch alle gegenseitig um, und
das in unserem schönen Dereköy!«
»Oh,
was für ein Unglück!« Ayse schlug beide Hände vors Gesicht und stieß mit den
Ellbogen gegen ihre Tüte mit Sonnenblumenkernen, die auf ihre Füße und die
Straße prasselten.
»Sieh
mal, Hatun, da drüben die Tauben.«, flüsterte Latife der Freundin ins Ohr. »Die
rucken nicht einmal mit ihren Köpfchen, keine flattert hier rüber! Selbst die wissen schon, dass es bei Ayse nur Schalen gibt.«
Laut
fuhr sie fort:
»Was
ist das für ein Ausländer? Was hat Levent erzählt? Warum hat er diese Frau
ermordet? Bestimmt war verratene Liebe im Spiel und ...«
»…
und Alkohol! Die Ausländer sind doch immer betrunken, die haben nie gelernt
zivilisiert zu trinken.«
»Gewiss
eine Dreiecksbeziehung, mein Kadir erzählt mir genug, wie es in diesen schicken
Hotels zugeht, ich kann Euch sagen! Aber wie kann es auch anders sein? Da sehen
sich wildfremde Menschen den ganzen Tag notdürftig bekleidet, man stelle sich
vor, manche von denen essen sogar halbnackt. Ganz wirr und schwummerig würde
mir im Kopf, wenn ich das sehen müsste!«
»Und
nun noch dies neue Hotel, in dem die Touristen ganz nackig sein können, Ihr
Lieben, denkt nur, wie viel Morde dann noch geschehen werden!«
»Der
Vorteil bei den ganz Nackigen ist«, meinte Hatun, die als Tante eines Hilfspolizisten
mit einer gewissen Abgebrühtheit glänzen wollte, »dass niemand heimlich eine
Waffe bei sich haben kann.«
»Der
Rutschenmörder brauchte auch keine Waffe am Körper. Aber nun erzähl schon, wer
der Mörder war und wie sich alles zugetragen hat.«
»Also,
ich kann Euch nicht erzählen, was passiert ist, aber ich weiß wer der Täte war.
Kein Sterbenswort werdet Ihr verraten, nicht wahr? Also es war ...«
Hatun
sah sich um, ob jemand an einem der geöffneten Fenster des Hauses stand und
warf dann noch einen schnellen Blick unter ihren Stuhl. Latife rief: »Miran,
Junge, was machst du so spät noch hier? Warum bist du nicht in der Schule?«
Ein
kleiner Jungen schlenderte gemächlich auf sie zu, die Hände tief in den
Hosentaschen vergraben. »Habe heute eine Stunde später Schule. Habt Ihr was
Süßes für mich?« Erwartungsvoll kam er näher, denn bei den drei Frauen
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