Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall
Hinterzimmer und legte sich und Seda identisch große Poststapel hin.
»Wie
soll ich mir in der Hauptsaison Urlaub nehmen, wie stellst du dir das vor? Ich
muss hier dauernd Doppelschichten fahren, so unterbesetzt sind wir momentan,
zumal meine Kollegin Maria ihre Morgenübelkeit nun auch noch manchmal auf den
Abend verlegt. Ja, genau, die Schwangere, hab ich dir doch auf der letzten
Postkarte geschrieben. Aber wirklich, Daddy, es besteht kein Grund zur
Beunruhigung … nein, ich bin nie alleine im Club, auch wenn ich Nachtschicht
habe … ein Hotel schläft doch nie! Jetzt gerade ist meine liebe Kollegin Rüya
hier neben mir, sag hallo zu meinem Papa, Rüya.«
»Hallo,
Papa von Seda!«, brüllte Rüya in das von Seda zurückgebogene Mundstück des
Headsets und wandte sich dann wieder der Post zu.
»Mmmmh,
ah ja, meinst du?« Seda hörte weiter den besorgten Ausführungen ihres Vaters zu
während sie nach den Briefumschlägen und einem Brieföffner griff. Schnell und
geübt schlitzte sie die Umschläge einen nach dem anderen auf und legte sie dann
wieder ordentlich aufeinander, bevor sie begann, die Briefbögen zu entnehmen.
Eingangsstempel, kurzer Blick auf Adresse, Betreff, schnelles Überfliegen des
Inhalts.
»Was
soll ich denn sagen, Daddy? Du lebst in Tel Aviv! Du bist tagtäglich
viel mehr in Gefahr als ich!«
Seda
schrieb OR für Olli Reinecke unter den Stempel und legte den Brief in sein
Fach.
»Das
ist gar nichts anderes, ich habe das Recht mir genauso viele Sorgen um dich zu
machen wie du um mich.«
Stempel,
Adresse, Betreff, Inhalt, ab in die Buchhaltung.
»Ja,
der Ermordete war Gast im Meridian Club, aber …«
Stempel,
Adresse, Betreff, Inhalt, ab zum Sportchef.
»Aber
unsere Gäste scheint das auch nicht zu stören oder zu beunruhigen. Wir hatten
nur drei Stornierungen, seitdem die Leiche gefunden wurde. Ich vermute, die
Reiserücktrittsversicherung zahlt in diesem Fall nicht.«
Stempel,
Adresse, Betreff, Inhalt, ab in Kadirs Fach.
»Ich
habe eine bessere Idee: Komm du mich doch besuchen! Ich kann mir zwar nicht
frei nehmen aber … was, mmmh, geht auch nicht? Was sagt denn meine Stiefmama?«
Stempel,
Adresse, Betreff … Auuutsch! Ein unsanfter Stoß von Rüya ließ Seda aufblicken.
Olli Reinecke stand vor dem Empfang und trommelte unwirsch mit den Fingern auf
den Tresen.
»Ich
ruf dich später noch mal an, baba !«, flüsterte Seda und drückte die
„Trennen“-Taste.
»Post?
Keine Post für mich, nur dies eine Schreiben? Könnten die Damen mal einen Zahn
zulegen?« Ollis Augen verengten sich zu Schlitzen, als er Sedas Headset
bemerkte, dass sie immer noch auf dem Kopf trug.
»Mit
wem haben Sie da telefoniert? Wieder mal privat? Wie oft muss ich eigentlich
noch betonen, dass nur in Notfällen …«
»Aber
nein!«, antwortete Seda ruhig und wedelte mit dem Schreiben, das sie gerade in
der Hand hielt. »Ich sprach gerade mit der Buchhaltung. Ich weiß nicht, ob
diese Rechnung hier korrekt ist, ich war mir nicht bewusst, dass dieser Posten
hier berechnet werden darf. Ich dachte, wir sollen alles kontrollieren, weil
wir sparen müs… «
»Schon
gut, schon gut, zeigen Sie mal her!« Olli Reinecke nahm die Rechnung, überflog
sie und tat so als ob ihm der Vorgang genauestens bekannt sei.
»Geht
in Ordnung, sagen Sie das auch der Buchhaltung, sonst habe ich fünfmal die
gleiche Sache an verschiedenen Stellen zu klären. Bringen Sie mir gleich die
Post vorbei, Seda, wenn Sie hier irgendwann mal fertig werden sollten.«
»Puh, das war knapp! Sorry, ich
hab ihn auch erst bemerkt, als er schon hier stand.«, sagte Rüya und lachte.
»Gut, dass er immer noch kein türkisch kann – dann sind die schönen Zeiten, in
denen wir von hier aus in Ruhe telefonieren können vorbei. Ich hol uns einen
Kaffee auf den Schreck, o.k.?«
»Wer
soll die denn auf so einem Bild erkennen? Die sieht ja aus wie ein Alien!«
Dieter
aus Paderborn hob die Zeitung hoch und tippte anklagend auf das Phantombild. Er
saß mit Herbert Schmalfuß unter den Palmen am Pool, genau an der Stelle, an der
einst die Wunderschöne gestanden hatte.
»Ganz
Ihrer Meinung, Herr Dieter, ganz Ihrer Meinung. Dies Bild wurde am Computer
erstellt und entweder hatte der Zeuge, der die Dame in Begleitung des Opfers
gesehen hatte, doch deutlich mehr gehaltvolle Getränke zu sich genommen als er
zugegeben hatte, oder die deutschen Kollegen haben nicht richtig zugehört. Ich
persönlich gebe, mit Verlaub, die Schuld dem Computerprogramm und
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