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Halskette und Kalebasse

Halskette und Kalebasse

Titel: Halskette und Kalebasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert van Gulik
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Menschen wie Lang Liu. Ja, er würde es riskieren. Sollte seine Theorie sich als richtig erweisen, hätte er die erste Phase seiner Untersuchung erfolgreich abgeschlossen. Wäre er im Unrecht, hätte er wenigstens einigen Leuten einen Schrecken eingejagt. Und erschreckte Leute neigen dazu, schwere Fehler zu machen.
    Der Badeaufseher kam herein, während Richter Di gerade einen neuen Verband um seinen Unterarm legte. Er trug ihm auf, saubere Kleider aus seinem Zimmer zu holen und die verschmutzten den Wäscherinnen zu geben. Angetan mit seinem frisch gewaschenen braunen Reisegewand ging er in die Halle und fragte den Gehilfen, ob Herr Lang sein Mittagessen beendet habe. Als der Gehilfe nickte, gab er diesem seine Besuchskarte und bat ihn, sich zu erkundigen, ob er Herrn Lang einen Augenblick sprechen könne.
    »Herr Lang hat es nicht gern, direkt nach dem Essen gestört zu werden, Doktor!«
    »Fragen Sie ihn trotzdem!«
    Der Gehilfe ging zweifelnden Blicks den Flur hinunter, aber er kehrte mit einem breiten Lächeln zurück. »Herr Lang sagt, Sie seien willkommen, mein Herr! Es ist die vierte Tür rechts.«
    Richter Di wurde von einem dünnen Mann mit großem rundem Schädel eingelassen. Es war derselbe Mann, den er am Morgen bei den Lagerhäusern gesehen hatte. Mit einem unterwürfigen Lächeln stellte er sich als Herr Längs Buchhalter vor und brachte den Richter dann durch ein großes, kühles Vorzimmer in einen riesigen Raum, der den ganzen rückwärtigen Teil des linken Herbergsflügels einzunehmen schien. Offensichtlich war dies die abgelegenste und teuerste Suite des >Eisvogels<.
    Herr Lang saß hinter einem schweren, geschnitzten Ebenholzschreibtisch, ein unhandliches Rechnungsbuch vor sich. Die beiden Leibwächter standen an der Flügeltür, die in den verwahrlosten Garten führte. Herr Lang erhob sich und forderte den Richter mit einer höflichen Verbeugung auf, in dem anderen Sessel Platz zu nehmen. Mit einem dünnen Lächeln sagte er:
    »Ich war gerade dabei, dieses Rechnungsbuch mit meinem Buchhalter durchzugehen. Ihr geschätzter Besuch bietet mir eine höchst willkommene Gelegenheit, diese ermüdende Aufgabe zu unterbrechen!« Er gab dem Buchhalter ein Zeichen, Tee zu servieren.
    »Ich hatte Ihnen schon früher einen Besuch abstatten wollen, Herr Lang«, begann Richter Di freundlich, »aber die Nacht war kurz, und heute morgen fühlte ich mich ein wenig unwohl. Schönes Wetter haben wir heute.« Er nahm die Tasse, die der Buchhalter ihm anbot, und nippte ein wenig daran.
    »Von den Regentagen einmal abgesehen«, bemerkte Herr Lang, »finde ich das Klima hier recht angenehm.« Der Richter setzte seine Teetasse hart ab. Die Hände auf die Knie legend, sagte er, jetzt mit barscher Stimme: »Freut mich zu hören, Lang! Denn Sie werden für lange, lange Zeit in dieser Stadt bleiben müssen.«
    Sein Gastgeber sah ihn scharf an. Dann fragte er langsam:
    »Was genau soll das heißen?«
    »Das heißt, der Waffenstillstand ist vorbei. Sobald Sie auch nur einen Fuß aus diesem Sonderbezirk setzen, Lang, werden wir Sie erwischen. In der vergangenen Nacht haben Ihre dummen Helfershelfer mich in Ihr Lagerhaus auf dem Kai gebracht und versucht, mich zu töten.«
    »Ich sagte Ihnen doch, Chef, auf dem Boden war überall Blut. Ich...«, murmelte der Buchhalter.
    »Halt die Klappe!« fuhr ihn Lang an. Und zu den beiden Leibwächtern: »Macht die verdammten Türen zu! Einer von euch stellt sich draußen in den Garten, der andere ins Vorzimmer. Ich will von niemandem gestört werden.« Dann fixierte er den Richter mit seinen großen Augen, die jetzt einen harten Glanz hatten. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Als ich Sie gestern nachmittag im Bad sah, kam mir schon der Verdacht, daß Sie einer von der Roten Liga sind. Doktoren haben im allgemeinen keine Boxerfigur. Aber ich bestreite, daß ich versucht habe, Sie töten zu lassen. Unsere Seite hält sich an den Waffenstillstand.«
    Richter Di zuckte die Achseln. »Ich will das für den Augenblick dahingestellt sein lassen. Es gibt eine viel wichtigere Angelegenheit zu erörtern. Ich habe den Auftrag, Ihnen einen Vorschlag zu machen. Sie haben den Kassierer dieser Herberge dazu benutzt, ein sehr hübsches Spielzeug zu stehlen. Ihrer Liga muß wohl das Geld ausgehen, Lang -wenn man sieht, daß Sie das Risiko eingehen, sich in Stücke schneiden zu lassen. Langsam und fachmännisch.«
    Lang verzog keine Miene, doch der Richter beobachtete, daß auf das Gesicht des Buchhalters

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