Halte meine Seele
einer grünen Jogginghose, die nicht mehr ganz frisch roch. Ich nahm den Ballon in beide Hände und schnappte erschrocken nach Luft, als ich die Eiseskälte spürte. Der Ballon war so kalt, dass er eigentlich mit einer Eisschicht überzogen sein müsste.
Doch abgesehen von der Temperatur und der schweren Verschlussklammer sah er wie ein ganz normaler Luftballon aus. Er war nur etwa zur Hälfte aufgeblasen, und ich überlegte, wie voll er wohl gewesen war und wie viel Scott bereits eingeatmet hatte. Als ich ihn sanft drückte, versanken meine Finger in der Gummihaut, und es wurde noch eisiger.
„Es ist kalt …“, flüsterte ich, ohne den Ballon aus den Augen zu lassen. „Eiskalt …“
Nash nickte. „Das Zeug heißt nicht umsonst Frost. Erinnerst du dich noch, was Avari mit dem Büro angestellt hat, als er wütend wurde?“
Und wie ich mich erinnerte. Eine dünne Eisschicht, die sich mit steigender Wut immer weiter ausbreitete, hatte den Schreibtisch und den Fußboden überzogen.
„Also mach die Tasche zu und komm da …“
„Hudson?“ Eine Männerstimme schallte über den Parkplatz, und mir gefror das Blut in den Adern.
Es war Coach Rundell, der Footballtrainer.
Nash bedeutete mir, unten zu bleiben, und ich kauerte mich auf dem Rücksitz tief über den Ballon. Zwischen den Kopfstützen hindurch erspähte ich den Coach. Er steckte in einem viel zu engen, grün-weißen Jogginganzug, der sich am Bauch mächtig spannte, und stapfte direkt auf uns zu.
„Du darfst dich hier während des Unterrichts nicht aufhalten, Hudson“, blaffte er. „Das weißt du doch.“ Diese Regel sollte verhindern, dass die Schüler heimlich rauchten oder im Auto rumknutschten oder, was gelegentlich vorkam, jemand ein Auto knackte. So wie wir gerade.
Von dem Ballon ging eine solche Kälte aus, dass ich sie sogar durch mein Shirt spüren konnte. Panisch schielte ich zu Nash hoch, der hektisch in seiner Hosentasche kramte. „Tut mir leid, Coach. Ich hab heute Morgen mein Buch vergessen, und das brauche ich für den Unterricht.“
„Aber das ist doch Carters Auto.“
Schulterzuckend entgegnete er: „Ich bin bei ihm mitgefahren.“
In Wahrheit hatte ich Nash in meinem schicken Mietwagen mitgenommen. Aber Coach Rundell würde seinen besten Runningback sicher nicht anzweifeln. Auch dann nicht, wenn er ihm nicht glaubte.
„Na gut. Hol dir, was du brauchst, und dann Abmarsch zurück zum Unterricht. Soll ich dir eine Entschuldigung ausstellen?“
„Ja, bitte.“ Er beugte sich ins Auto, den Kopf hinter der Kopfstütze des Beifahrersitzes, sodass der Coach ihn nicht sehen konnte.
Das war ja mal wieder typisch. Ein Footballspieler klaut den Autoschlüssel seines Kumpels und bricht in dessen Auto ein, und als Dank für seine Mühe kriegt er auch noch einen Freifahrschein ausgestellt. Mich hätten sie bestimmt von der Schule geworfen.
Nash drückte mir Scotts Schlüssel in die Hand. „Warte, bis wir weg sind, und sperr den Ballon dann bei dir in den Kofferraum. Kapiert?“
Kopfschüttelnd steckte ich den Schlüssel in die Tasche. „Ich lasse ihn einfach platzen. So kommt wirklich niemand mehr an das Zeug ran.“
Panik war in seinem heftig wirbelnden Blick zu erkennen. „Du kannst ihn nicht einfach kaputt machen, Kaylee. Was, wenn du aus Versehen etwas einatmest?“
Bei dem Gedanken machte mein Herz einen ängstlichen Satz, und ich bekam eine Gänsehaut. „Ist es für Banshees genauso … gefährlich wie für Menschen?“, flüsterte ich.
Nash seufzte. „Nein, aber …“ Dann brach er ab und schüttelte, wie um einen Gedanken zu vertreiben, den Kopf. „Ich weiß es nicht. Das Zeug gehört ja nicht ohne Grund zu den Betäubungsmitteln. Es muss ordnungsgemäß entsorgt werden. Ich gebe es Todd, damit er es in der Unterwelt vernichtet. In Ordnung?“
„Okay“, sagte ich widerstrebend.
Nach einem flüchtigen Kuss schnappte er sich das Chemiebuch, das ich beim Mittagessen dabeigehabt hatte. „Ich geb’s dir nach der Schule wieder.“ Hoffentlich wusste der Coach nicht, dass Nash dieses Jahr Physik gewählt hatte …
Nash richtete sich auf und hielt demonstrativ das Buch hoch. Dann schlug er die Tür zu und ließ mich allein im Auto des Quarterbacks sitzen, in der einen Hand einen geklauten Autoschlüssel, in der anderen einen mit einer wertvollen Inhalationsdroge gefüllten Luftballon.
Bleib locker, Kay.
Erst, als Nash und der Coach um die Ecke verschwunden waren, traute ich mich, aus meiner Deckung zu kommen.
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