Haltlos
Schmatzen der Todten in Gräbern“ was letztendlich durch die Verwesungsprozesse ausgelöst wurde, von Michael Ranft. Dennoch behielt sie stets einen Funken Hoffnung im Hinterkopf, bzw. eine leise Stimme, die ihr sagte: „Schau genauer hin und finde die Wahrheit!“ Und deshalb verbrachte sie ihre wenigen freien Minuten damit, ihr Ziel irgendwann zu erreichen und somit die Frage ob Mythos oder Wirklichkeit, für sich zu klären. Am Abend rief Mike kurz angebunden an und entschuldigte sich, dass er es heute nicht mehr schaffen würde bei ihr vorbeizukommen, um sie zu sehen, denn er sei immer noch mit dem Zusammenpacken seiner Sachen beschäftigt und müsse danach kurz in die Kanzlei, um dort seinen Krempel, womit er seine Gesetzesbücher meinte, abzuholen. Ein wenig enttäuscht versicherte Tessa ihm, dass es o.k. sei und sie verstehe, dass er seine Gesetzestexte selbstverständlich für die Uni bräuchte. Nachdem sie aufgelegt hatte ging sie in ihr Zimmer, ließ sich auf ihr Bett fallen und zog ihren Plüschhasen fest an ihre Brust heran. Sie fühlte sich falsch. Etwas stimmte nicht, aber sie konnte es nicht greifen. Ihre Aufmerksamkeit wurde von einem wunderschönen Gezwitscher von ihrer schlechten Laune abgelenkt. Draußen vor ihrem Fenster ließ sich ein Vogel nieder und begann seine schönsten Melodien zu zwitschern, aber auch das konnte sie nicht lange aufheitern. Nach einer Weile sinnlosen Herumliegens und an die Tapetenstarrens nahm sie ihre Decke, zog diese bis zum Kinn hoch und beschloss fern zu gucken. Amber hatte heute keine Zeit, weil sie ihren Tag extra anders verplant hatte. Beide Mädchen waren davon ausgegangen, dass Tessa den Tag mit Mike verbringen würde. Da wie jeden Sonntag jedoch nichts Vernünftiges im Fernsehen zu laufen schien, raffte sie sich auf, schlug ihre Decke zurück und begab sich zu ihrem DVD-Regal. Die Wahl fiel ihr nicht schwer, da sie sich meist Filme nach ihrem Gemütszustand aussuchte. Sie nahm gezielt eine DVD in die Hand. Ihre Wahl fiel auf „Biss“, denn eine „schmalzige Liebesschnulze“ wie böse Zungen es nennen würden, wäre jetzt genau das richtige für sie. Während des Films fiel Tessa in einen unruhigen Schlaf. Ihre Träume waren verwirrend. Es vermischten sich ihre lange ins Unterbewusstsein verdrängten Erinnerungen, die sie für Jahre dorthin verbannt hatte, mit den aktuellen Geschehnissen. Sie sah ihren Vater, der verzweifelt versuchte ihr etwas mitzuteilen, doch als sie näher auf ihn zuging, um ihn besser hören zu können, schien er entgegengesetzt von ihr fortgezogen zu werden. Je mehr sie darum kämpfte ihn zu erreichen, umso ungreifbarer wurde er, bis er verschwand. Stattdessen erschien ein Abbild von Josh, der in seinem Bürostuhl auf der Terrasse saß und wie gebannt in die Ferne starrte. Tessa war neugierig und folgte seinem Blick. Sie wollte wissen, was seine Aufmerksamkeit so sehr in Anspruch nahm, dass er sie gar nicht zu bemerken schien. Als sie sah, worauf Josh zu starren schien, erkannte sie verstört, dass es sich um genau den Straßenabschnitt handelte, auf dem ihre Eltern vor Jahren so tragisch verunglückt waren. Josh war mit den Kindern zwecks Trauerbewältigung oft zu der Unglücksstelle gefahren. Die Geschwister haben dann Briefe oder Blumen für ihre Eltern da gelassen. Tessa verstand nicht warum Josh sich so quälte und rannte zu ihm hinüber, packte ihn an den Schultern, um ihn zu schütteln. Sie schrie ihn an, doch er registrierte sie nicht. Panik stieg in ihr auf, es war wie ein Déjà-vu der Nacht, in der ihre Eltern starben, nur dass es sich damals um Lukas handelte, der sie nicht bemerkte. Josh hörte ihre flehenden Rufe nicht. Tessa wusste nicht, was sie machen konnte. Sie blickte sich hilflos in der Hoffnung um, von unerwarteter Seite Beistand zu bekommen. Dann sah sie ihn. Er kam ihr vertraut vor, doch war sie sich sicher, ihn noch nie zuvor in ihrem Leben gesehen zu haben. Sie konnte ihren Blick nicht von ihm lösen und wurde aus unerfindlichen Gründen wie durch die Magie eines unsichtbaren Bandes von ihm angezogen. Er strahlte Wildheit und Gefahr aus, wie ein Raubtier, dem man besser aus dem Weg gegangen wäre, statt ihm direkt zu begegnen. Doch schien es genau diese ungestüme, unbändige Energie zu sein, die bewirkte, dass sich Tessa wie durch eine helfende Hand geleitet direkt auf den Unbekannten zu bewegte. Sie stellte entsetzt fest, dass auch er genau wie Josh gebannt auf die Straße starrte. Doch in seinem Blick lag
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