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Halva, meine Sueße

Halva, meine Sueße

Titel: Halva, meine Sueße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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mich setzen«, sagte
sie rau und sank zurück auf ihren Stuhl. Alle Kraft lief wie
Wasser durch ein Sieb aus ihr heraus. Was blieb, war nur
eine Hülle. Sie konnte nicht einmal weinen. Was Miryam
ihr gesagt hatte, war zu ungeheuerlich.
    »Was steht genau in dem Brief?«, fragte sie tonlos.
    Miryam setzte sich neben Halva. Sie las noch einmal, aufmerksam
und mit gerunzelter Stirn. »Dein Vater hat Bijan
sein Wort geben müssen, dass du nach deinem achtzehnten Geburtstag einen seiner vier Söhne heiratest. Nur so hat
Cyrus eure Visa bekommen«, flüsterte sie. »Jetzt schreibt
Bijan ihm, um ihn an den Handel zu erinnern. Es ist anscheinend
schon der zweite Brief, und er fordert eine Antwort,
weil du doch jetzt achtzehn geworden sein müsstest …«
    Miryams Stimme brach ab.
    »Und was weiter?«
    »Er will wissen, wann du kommst.«
    »Ganz einfach: nie«, fuhr Halva auf, doch Miryam sah
sie nur schweigend und mitleidig an. »Was schaust du mich
so an? Ich kann das nicht glauben. Das klingt doch wie aus
einem Märchen … aus einem Albtraum, meine ich …«, stieß
Halva hervor, ehe ihr die Stimme versagte.
    »Das ist es auch. Und mach dir keine Sorgen, Halva«, beruhigte
Miryam sie rasch. »So wie ich Cyrus kenne, wird er
niemals auf diesen Handel eingehen. Und Raya erst recht
nicht! Wie kannst du so etwas von deiner Mutter denken? Sie
kommt doch aus einer sehr fortschrittlichen Familie, oder?«
    Halva nickte, aber sie sah, wie Miryam den Kopf abwandte,
um ihrem Blick nicht begegnen zu müssen. Sie dachte
an die Worte ihres Vaters: »Wenn ich mein Wort nicht mehr
halte, mein Ehrenwort, mein Versprechen, was habe ich dann
noch zu geben?« Und auch an seine harsche Mahnung an
Raya, die zu protestieren wagte: »Du wolltest Freiheit. Das
wertvollste Gut überhaupt. Etwas so Wertvolles hat seinen
Preis … Ich habe die Entscheidung doch damals nicht allein
getroffen?«
    »Nein«, hatte Raya geflüstert. »Nein. Wir haben die Entscheidung
gemeinsam getroffen.«
    »Mach dir keine Sorgen«, wiederholte Miryam.
    »Ich mache mir keine Sorgen«, sagte Halva tonlos. Miryam
lächelte sie mit traurigen Augen an, so als wüsste sie
mehr, als sie im Moment sagen wollte. Halva wischte sich die
Augen, obwohl sie nicht weinte, doch ihre Netzhaut brannte
trocken. Sie stand auf. Ihre Knie zitterten.
    »Kai wird gleich kommen«, sagte sie dann mit gewürgter
Stimme.
    »Wirst du es ihm sagen?«
    »Ich weiß es noch nicht. Ich weiß nicht, wie. Das ist doch
der pure Wahnsinn! Jetzt verstehe ich allerdings, weshalb ich
nicht mit ihm ins Kino sollte und weshalb Mudi mir gestern
so eine Szene gemacht hat. Sie wollen ihren … ihren
Kuhhandel
nicht gefährden.« Sie reckte den Hals, um aus der Küche
durch die großen Fenster auf die Straße hinauszusehen. Es
war noch dunkel, die Laternen brannten und Kai musste
bald hier sein.
    Miryam trat zu ihr und legte ihr den Arm um die Schultern.
»Ich verstehe, wie du dich fühlst, Halva. Und was
immer du tust, ich halte zu dir. Von mir erfährt niemand ein
Sterbenswörtchen, versprochen. Niemals.«
    »Wirklich? Du wirst gegen die Familie zu mir halten?«
    Miryam zögerte einen Herzschlag lang. »Sie sind meine
Familie. Aber das bist du auch. Und meine Freundin!«
    Als Halva eine halbe Stunde später das Brett mit der Halva
aus dem Kühlschrank zog, sah das Konfekt rein und vollkommen
aus. Ein süßer feinblättriger Duft stieg ihr in die
Nase. Natürlich war sie vollkommen, dachte Halva, denn sie
hatte sie ohne Schwermut und mit den Gedanken bei Kai
zubereitet. Sie tauchte die Klinge des langen, scharfen Messers kurz in ein Glas Wasser, damit die Halva beim Schneiden
nicht daran haften blieb, und schnitt sie in ebenmäßige
Stücke, die nun darauf warteten, belegt zu werden.
    Als sie alle Bleche geschnitten hatte, zögerte sie. Womit
wollte sie das Konfekt heute schmücken? Sie schloss die
Augen und atmete tief ein. Sie fühlte Licht und Süße, wenn
sie an Kai und an das Zusammensein mit ihm dachte. Aber
sie spürte auch bitteren Schmerz und kalte Wut, wenn sie
an den Preis dachte, den ihre Eltern vor zehn Jahren im Iran
ausgehandelt hatten – Notlage oder nicht.
    »Halva?«, hörte sie Kais Stimme leise und zärtlich fragen.
»Träumst du?«
    Als sie die Augen öffnete, sah sie mitten in Kais golden
leuchtende Augen. Sie war so in Gedanken versunken gewesen,
dass sie gar nicht gehört hatte, wie er in den Laden
getreten war.
    Kai lächelte sie an und küsste sie. Mut wuchs in ihr.

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