Hanan 1 - Brüder der Erde
die Methi irritiert, »ja oder nein?«
Der alte Priester verbeugte sich tief. »Methi, einige Mitglieder des Kollegiums sind der Ansicht, daß die Menschen Abkömmlinge der früheren Gott-Könige sind, die Kinder der großen Erdschlange Yr und des Zornes Phans, als er Monster zeugte, um die Welt zu vernichten.«
»Das ist eine sehr alte Theorie. Die Gott-Könige haben vor vielen Tausenden von Jahren gelebt und konnten mit den Sterblichen Nachkommen zeugen. Hat es jemals eine Vermischung von menschlichem Blut mit dem der Nemets gegeben?«
»Nein, große Methi, jedenfalls gibt es keinen Nachweis darüber. Aber wir kennen den Ursprung der Tamurlin nicht, und sie sind zweifellos von der gleichen Art. Du erwartest von uns, daß wir mit deiner Frage auch das Tamurlin-Problem lösen, und wir verfügen nicht über genügend Wissen, um das zu tun.«
»Ihr habt
ihn
. Ich habe ihn euch überlassen, damit ihr ihn untersuchen und befragen konntet. Hat er euch nichts gesagt?«
»Das, was er uns gesagt hat, ist unannehmbar.«
»Lügt er? Einem Lügner kann man immer eine Falle stellen.«
»Wir haben es versucht, große Methi, aber er weicht von seinen Behauptungen nicht ab. Er spricht von einer anderen Welt und von einer anderen Sonne. Ich bin fast sicher, daß er wirklich daran glaubt.«
»Und glaubst du auch daran, Priester?«
Der alte Mann neigte den Kopf und faltete seine runzeligen Hände. »Ich bitte um die Gnade der Methi, aber dies ist eine äußerst schwierige Frage, sonst hättest du nicht das Kolleg konsultiert. Das Problem ist doch dieses: Wenn er kein Nemet ist, was ist sein Ursprung? Unsere Schiffe kreuzen auf allen Meeren, aber noch nie haben sie eine ähnliche Kreatur gefunden. Wenn die Menschen es wollen, kommen sie in unsere Welt und bringen Maschinen und Kräfte mit, die unser Wissen nicht versteht. Auch wenn er nicht von einem Ort stammt, der innerhalb unseres Wissenskreises liegt, so muß er doch – bitte vergib die Simplifizierung – von irgendwoher stammen. Er nennt es die ›Erde‹. Vielleicht ist es eine falsche Bezeichnung, da er unsere Sprache nicht völlig beherrscht, oder wir haben ihn mißverstanden. Aber in welchem aller Länder, die wir kennen, könnte seine Heimat sein?«
»Und wenn es wirklich eine andere Welt und eine andere Sonne gäbe, wie würde unsere Religion das interpretieren?«
Die wässerigen Augen des Priesters blickten Kurt an, der vor ihm und der Methi kniete. »Das weiß ich nicht«, sagte er.
»Ich verlange eine Antwort, Priester. Ich will, daß du mir antwortest.«
»Ich... würde eher daran glauben, daß er sterblich ist, als ihn für unsterblich zu halten, und ich kann nicht wirklich glauben, daß er ein Tier ist. Vergib mir, Methi, was ich hier sage, mag Häresie sein, aber Phan war nicht der älteste Sohn von Ib. Es gab andere Wesen, deren Natur unklar ist. Vielleicht gab es wirklich Brüder Phans, Sonnen von seiner Art. Aber selbst wenn es Tausende davon geben sollte, schmälert das doch nicht die Wahrheit der
yhia
.«
»Das ist Häresie, Priester.«
»Das stimmt«, gab der alte Mann zu. »Aber anders gelange ich zu keiner Antwort.«
»Priester, wenn ich den Menschen anblicke, finde ich keine logische Erklärung für seine Existenz, und ich beginne Fragen zu stellen, wo mir keine Fragen erlaubt sind. Wenn unsere Welt die Welt Phans ist und es daneben noch eine andere geben sollte, was hat dieses... Eindringen... von Menschen in unsere Welt zu bedeuten? Es gibt eine Macht, die größer ist als die Phans, ja; aber wo liegt die Notwendigkeit dafür, die ganze Natur so völlig umzukrempeln? Wohin führen uns diese Ereignisse?«
»Das weiß ich nicht. Aber wenn wir uns gegen das Schicksal auflehnen, wird das Schicksal uns vernichten.«
»Verlangt die
yhia
nicht von uns, nur die Dinge zu akzeptieren, die wir mit unserem beschränkten Verstand erfassen können?«
»Es ist unmöglich, anders zu handeln, Methi.«
»Und fordert die Natur deshalb nicht von uns, gewisse Probleme ungelöst zu lassen?«
»So wird es ausgelegt, Methi, obwohl sich nicht alle Mitglieder des Kollegiums mit dieser Exegese einverstanden erklären.«
»Aber wenn wir uns gegen das Schicksal auflehnen, werden wir vernichtet?«
»Darüber besteht kein Zweifel, Methi.«
»Und eines Tages konnte es unser Schicksal sein, vernichtet zu werden?«
»Das ist möglich.«
Sie schlug mit der Hand auf die Stuhllehne. »Ich weigere mich, eine solche Möglichkeit zu akzeptieren. Ich weigere mich,
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