Hanan 1 - Brüder der Erde
der
lechan
stirbt und das Haus der
chan
vom Untergang bedroht wird, so ist es die Pflicht eines Lords des Hauses, der ihr im Alter am nächsten steht, für die Nachfolge zu sorgen. Manchmal wird dieser Brauch sogar angewandt, wenn der Ehemann der
lechan
lebt, sich jedoch nach einer gewissen Periode kein Nachwuchs eingestellt hat.«
Kurt wußte nicht, ob sein Gesicht in diesem Moment blaß wurde oder rot anlief. Er spürte nur, daß er sich sekundenlang nicht rühren konnte und in die mitleidigen Augen des Nemet starrte. Endlich hatte er sich wieder so weit in der Gewalt, daß er den Blick senken konnte. »Ich könnte sogar«, wiederholte er Ktas Worte, »das Kind meines Freundes lieben.«
Kta zuckte zusammen. »Vielleicht ist es bei dir und Mim anders«, sagte er. »Ich merke, wie sehr dein Herz an ihr hängt, und werde mit Hef sprechen und ihm mein eigenes Versprechen in dieser Angelegenheit geben. Wenn ich Hef gewinnen kann, wird es leichter sein, das Einverständnis meines Vaters und meiner Mutter zu gewinnen. Ich werde auch mit Mim über unseren Brauch sprechen, den wir
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nennen.«
»Das werde ich erledigen«, sagte Kurt.
»Nein«, widersprach Kta behutsam »Es wäre viel schwerer für sie, wenn du es ihr sagen würdest. Glaube mir, daß es so besser ist. Es muß einer Frau schmerzlich sein, es von ihrem zukünftigen Mann zu erfahren. Und sicher können wir die Dinge ein paar Jahre auf sich beruhen lassen, bevor wir uns ernsthaft mit ihnen befassen müssen. Unser Freund Hef ist noch nicht so alt. Falls er krank werden sollte oder die Jahre vergehen, ohne daß ihr ein Kind bekommt, dann wird es Zeit,
iquun
zu vollziehen. Ich würde in einem solchen Fall deine Ehre sowie die Ehre Hefs und Mims natürlich in jeder Weise schützen.«
»Du bist mein Freund«, sagte Kurt. »Und ich weiß, daß du auch Mims Freund bist. Wenn sie einverstanden ist, dann soll es so sein.«
»Dann«, sagte Kta, »werde ich jetzt mit Hef sprechen.«
Die Verlobung war notwendigerweise eine sehr stille Angelegenheit. Sie fand am Abend des dritten Tages nach Kurts Unterredung mit Kta statt. Hef bat Lord Nym formell um die Erlaubnis, seine Tochter dem Gast von Elas zur Frau geben zu dürfen, und Kta verzichtete auf seinen Anspruch auf die Person von Mim. Die Zeremonie fand vor den dazu notwendigen zwei Zeugen statt. Es waren Freunde der Familie, Han t'Osanef u Mur, der Vater von Bel, und der alte Ulmar t'Ilev ul Imetan, die mit ihren Familien erschienen waren.
»Mimlechan«, wandte sich Nym nun an das Mädchen, »ist diese Ehe nach deinem Wunsch?«
»Ja, Lord Nym.«
»In Abwesenheit von Mitgliedern deiner Familie fordere ich dich, Kurt t'Morgan, auf, für dich selbst zu antworten: Betrachtest du diesen Kontrakt als bindend, in vollem Wissen, daß du nach deinem Eid verpflichtet bist, diese Frau zu heiraten oder vor den hier anwesenden Familien einen Grund darzulegen, warum du die Heirat nicht vollziehen willst? Bist du bereit, die Verlobung zu schließen? Freund Kurt t'Morgan?«
»Ja.«
»Es gibt noch die Klausel des
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in dem Kontrakt«, setzte Nym mit ruhiger Stimme hinzu. »Sie betreffen Mim und Kurt und dich, mein Sohn Kta, und Hef, dessen Name erhalten bleiben soll. Es wird eine Frist von drei Jahren gesetzt, bevor
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zur Anwendung kommt. Sind alle Beteiligten damit einverstanden?«
Einer nach dem anderen neigte zustimmend den Kopf.
Zwei Pergamentbögen lagen auf dem Tisch, und sie wurden nacheinander von Nym, t'Osanef und t'I-lev mit ihren Ringen gesiegelt.
Dann drückte Lady Ptas ihren angefeuchteten Zeigefinger in das Wachs und siegelte beide Dokumente. Anschließend nahm sie eins davon, trug es zur
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und ließ es in die Flammen gleiten.
Sie hob die Arme, streckte die offenen Handflächen dem Feuer entgegen und sprach ein Gebet, das so alt war, daß Kurt nur einen Teil der Worte verstehen konnte. Er begriff jedoch, daß Ptas die Ahnen von Elas um ihren Segen für diese Ehe anflehte.
»Die Verlobung ist besiegelt«, sagte Nym. »Kurt Liam t'Morgan u Edward, blicke Mim h'Elas e Hef an, deine Braut.«
Er sah Mim an und mußte sich zusammennehmen, um nicht nach ihrer Hand zu greifen, was ein grober Verstoß gegen die Sitten gewesen wäre. Mims Gesicht strahlte vor Glück.
Dann wurden sie voneinander getrennt und auf entgegengesetzte Seiten des Raums geleitet. So wollte es der Brauch. Die Nemet machten eine Zeremonie daraus, junge Männer und Frauen bei ihrer Verlobung zu frustrieren. Die männlichen
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