Hanan 1 - Brüder der Erde
hatte, daß sie ihr Ziel seien.
Kta hob die Schultern. »In einem Tag vielleicht, wenn uns der Himmel und die Winde günstig gesinnt sind. In diesen Gewässern gibt es noch andere Gefahren außer der
Edrif
. Indresul besitzt eine Kolonie westlich von hier, Sidur Mel, mit einer ziemlich starken Flotte. Das ist eine Gefahr, der ich gerne aus dem Weg gehen möchte. Und auch auf den Inseln wird die große Kolonie von dem Haus Lur beherrscht, alten Feinden und Handelsrivalen von Elas. Aber die Insel Acturi wird von Freunden regiert, und ich hoffe, daß wir dort eine Weile ausruhen können.«
Das Segel knallte gegen den Mast. Kta blickte hinauf, gab Val ein Zeichen, und die Mannschaft trat in Aktion.
»Der Wind wird uns nicht mehr lange günstig sein«, sagte Kta. »Seeleute sollten immer respektvoll von den himmlischen Kräften sprechen und nichts als selbstverständlich nehmen.«
»Dreht der Wind?«
»Nicht nur das.« Kta deutete auf eine dunkle Wolkenbank über dem nördlichen Horizont. »Ich hatte gehofft, die Inseln zu erreichen, bevor das Unwetter losbricht. Die Frühlingswinde sind launisch, und der Sturm weht direkt vom ewigen Eis des Yvorst Ome. Wir werden ihn zu spüren bekommen, bevor dieser Tag vorbei ist.«
Kta hatte recht, wenn er die Frühlingswinde als launisch bezeichnete. Bis zum Mittag stand das Segel zeitweise prall oder hing schlaff am Mast, und dann schlief der Wind ganz ein. Das Schiff dümpelte ohne Fahrt in den kabbeligen Wellen, und das Segel klatschte an den Mast. Val brüllte Befehle, Kta stand im Bug des Schiffes und blickte besorgt zu der Wolkenbank, die rasch näher trieb.
»Du solltest dich wärmer anziehen«, sagte er zu Kurt. »Wenn der Sturm losbricht, spürst du ihn bis in die Knochen.«
Aus der Nähe wirkten die Wolken finster und drohend.
»Der Sturm wird uns zurücktreiben«, sagte Kurt. »Wir werden versuchen, wenigstens unsere Position zu halten«, sagte Kta. »Du kennst dich in diesen Dingen nicht aus. Du hast diese Frühjahrsstürme noch nicht erlebt. Du solltest unter Deck sein, wenn es losgeht.«
Am Nachmittag war der Himmel im Nordwesten mit schwarzen Wolken bedeckt, aus denen grelle Blitze zuckten, und die ersten scharfen Böen trafen das Schiff.
Kta blickte zu den Sturmwolken auf und fluchte leise. »Ich glaube, daß die Dämonen des alten Chteftikan uns dieses Unwetter geschickt haben«, sagte er. »Sufak liegt jetzt in Lee, und die Küste ist voller verborgener Riffe. Der einzige Trost ist, daß Shan t'Tefur ihr noch näher liegt, und wenn wir auflaufen, hängt er schon vor uns auf den Klippen. – He, Tkel! Leg noch ein Reff in das Segel, oder willst du aufentern, nachdem der Sturm losgebrochen ist?«
Tkel grinste und umklammerte mit beiden Händen die Halteleine, als die
Tavi
in der ersten schweren See weit überholte.
»Kurt«, rief Kta, »sei vorsichtig. In ein paar Minuten kommen die ersten Brecher über das Deck und könnten dich über Bord waschen.«
»Wie halten sich deine Männer auf den Beinen?«
»Sie machen keinen Schritt, der nicht notwendig wäre. Du bist kein Seemann, mein Freund. Du solltest jetzt nach unten gehen. Ich möchte nicht, daß du heute nacht Kalyts grünäugigen Töchtern Gesellschaft leistest. Ich weiß nicht, wie ihre Einstellung gegenüber Menschen ist.«
Kurt kannte die Legende. Ertrunkene Seeleute kamen in das Reich von Kalyt, des Vaters der Meere, und mußten dort bleiben, bis die richtigen Riten ihre Seelen aus den Klauen seiner gierigen Töchter befreit und sie zum Herd der Ahnen gesandt hatten.
Er nahm sich Ktas Warnung zu Herzen, hatte aber keine Lust, in die Kajüte zu gehen. Er ging zum Heck, als plötzlich eine schwere See das Schiff packte und ihn beinahe über Bord gespült hätte. Blindlings griff er nach einem Halt und klammerte sich am Mast fest, bis die Woge über die
Tavi
hinweggerollt war. Er vermied es, Kta anzusehen, als er vorsichtig zu dem niedrigen Kajütaufbau ging und auf seiner Leeseite Schutz vor dem Wetter suchte.
Es wurde Schwerarbeit, das Schiff auf Kurs zu halten. Sein Bug hob und senkte sich mit den heranrollenden Wellen, und das Deck schwankte gefährlich. Viel zu früh brach die Dämmerung herein, und der Geruch von Regen lag in der Luft.
Plötzlich wirbelte eine harte Bö das Wasser auf und drückte das Schiff nach Lee. Eine Welle brach sich schäumend am Bug, überflutete das Vorschiff und gischtete bis zum Heck.
Kurt wischte sich das brennende Salzwasser aus den Augen und klammerte sich
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