Hanan 2 - Weltenjäger
zum ersten Mal. »Daniel Fitzhugh«, sagte er. »Ich komme von Konig.«
Das war so nahe, daß sie wohl davon gehört hatte, und die Erwähnung eines vertrauten Orts schien sie zu beruhigen. »Mein Name ist Arle Mar«, sagte sie und fügte zitternd hinzu: »Das war die Farm meiner Eltern.«
»Wie alt bist du?« Er wollte sie durch die Fragen von der Erinnerung an die jüngsten Geschehnisse ablenken. »Zwölf?«
»Zehn.« Ihre Unterlippe zitterte. »Ich will nicht dorthin gehen. Bitte, bring mich nach Hause zurück.«
»Du weißt doch, daß das nicht geht.«
»Vielleicht sind sie davongekommen.« Er glaubte, daß sie diese Hoffnung schon lange gehegt haben mußte, bevor sie sie offen aussprach. »Vielleicht haben sie sich versteckt wie ich, und sie werden mich suchen.«
»Keine Hoffnung. Ich sage dir doch – nein.«
Sie wischte sich die Tränen ab. »Hast du eine Ahnung, wohin wir gehen sollen? Wir sollten die Streife rufen, oder in einem Haus ein Radio suchen...«
»Auf Priamos gibt es kein Gesetz mehr – keine Soldaten, keine Polizei, nichts. Wir sind alles, was noch da ist – Männer wie ich.«
Sie sah aus, als müsse sie sich gleich übergeben, als habe sie endlich alles begriffen. Sie war weiß im Gesicht und blieb mitten auf der Straße stehen, als wolle sie in Ohnmacht fallen.
»Ich werde dich tragen«, bot er an und wollte sie aufheben.
»Nein!« Hätte ihre Größe ihrem Zorn entsprochen, man hätte sich vor ihr fürchten müssen. So aber ließ sie sich einfach mitten auf die Straße plumpsen, stützte die Ellbogen auf die Knie und legte das Gesicht in die Hände. Er drängte sie nicht weiter. Er setzte sich mit gekreuzten Beinen, nicht weit von ihr, und ruhte sich aus; mit im Nacken verschlungenen Fingern wartete er und erlaubte ihr, in Würde wieder Mut zu fassen. Er wollte sie berühren, umarmen, sie weinen lassen und ihr das Gefühl geben, beschützt zu werden. Er konnte sich nicht überwinden. Ein Mensch konnte sie berühren, dachte er; aber er war nicht mehr völlig Mensch. Vielleicht fühlte sie das Fremde in ihm; wenn es so war, wollte er es nicht erfahren.
Schließlich rieb sie sich ein letztes Mal die Augen, stand steif auf und hob zaghaft den Saum ihres zerfetzten Nachthemds, um ihre aufgeschürften Knie zu untersuchen.
»Das sieht schlimm aus«, sagte er versuchsweise und kam wieder auf die Beine.
»Ist schon gut.« Sie ließ den Saum fallen, stieß ein letztes, halbverschlucktes Schluchzen aus und wischte sich über die Augen, während sie über das Tal blickte, das vor ihnen in der Sonne lag, den sich langsam dahinschlängelnden Weiss, die schwarzverbrannten Felder. »All dies war einmal grün«, sagte sie.
»Ja«, sagte er und nahm den unausgesprochenen Vorwurf hin.
Sie sah zu ihm auf, gegen die Sonne blinzelnd. »Warum«, fragte sie mit schrecklicher Einfachheit, »warum habt ihr das tun müssen?«
Er zuckte die Achseln. Es ging über seine Fähigkeiten hinaus, das zu erklären. Die Wahrheit war schlimmer als eine Lüge. Statt dessen reichte er ihr die Hand. »Komm! Wir müssen noch weit gehen.«
Sie übersah die Hand und ging vor ihm her. Die Straße war weich und sandig, in der Mitte wuchs Gras, und sie blieb auf dem Sand; aber die Sonne erhitzte den Boden, und als sie in die Weissebene hinabgekommen waren, ging das Kind auf den Außenkanten der Füße und zuckte bei jedem Schritt.
»Komm!« sagte er, packte sie in den Kniekehlen und hob sie, ob sie nun wollte oder nicht, mit einem Schwung auf. »Vielleicht...«
Er hielt inne, weil er ganz fern einen Laut hörte, ein Brummen, ganz anders als das gelegentliche Summen der Insekten. Arle hörte es auch und folgte seinem Blick, der den blauweißen Himmel nach dem Zeichen eines Flugzeugs absuchte. Es flog vorbei, ein Lichtschein, ganz hoch, dann machte es einen Bogen am Ende der riesigen Ebene und kam zurück.
»Na gut«, sagte er mit bemüht gleichgültiger Stimme.
›Aiela, Aiela, bitte hör zu!‹
»Das gibt Schwierigkeiten. Wenn sie landen, Arle, dann möchte ich, daß du im hohen Unkraut untertauchst und in diesem Graben verschwindest.«
›Aiela! Hilf mir doch!‹
»Wer sind sie?« fragte Arle.
»Wahrscheinlich Freunde von mir. Amaut vielleicht. Denk daran, ich habe für die andere Seite gearbeitet. Vielleicht greift man mich als Deserteur auf. Du könntest einige Dinge zu sehen kriegen, die dir nicht gefallen werden.«
›O Himmel, Aiela, Aiela, hör mir zu!‹
»Ich kann mich selbst aus meinen Schwierigkeiten
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