Hanan 2 - Weltenjäger
Kopf ging ihm kaum bis über die Gürtellinie, aber seine Arme waren zu lang für seine Größe und hingen bis über die Knie. Was die Flecken betraf, diese unangenehmsten Merkmale im Teint der Amaut, so war Klephs Gesicht ein Flickwerk aus verschiedenen Grautönen.
»Kann ich Ihnen helfen, Herr?«
»Nein.« Aiela schüttelte seine Hände ab und ging auf den Balkon hinaus, wobei Kleph nicht von seiner Seite wich.
Die Ruinen von Weissmouth lagen vor ihnen. Die Stadt bestand fast nur noch aus rußgeschwärzten Außenmauern, die zwei Straßen weiter begannen und sich bis zum Weissfluß erstreckten, der seine grünen Fluten mitten durch die Stadt zum Salzwasser des Binnenmeeres wälzte. Nur in diesem Abschnitt hier war die Menschenstadt so erhalten, wie sie gewesen war, aber schön waren die roten Lehmziegel, die flache, eckige Bauweise, die Gebäude aus Beton und Glas, die sich so nahe an die baumlosen Straßen drängten, ohnehin nie gewesen. Alles sah schmutzig und veraltet aus, fremdartig in der Anlage, die einzige Stadt in einer verarmten und untergehenden Welt. Unter den Händen der Amaut mochte das verwüstete Land wieder zu blühen beginnen: Sie konnten mit dem widerspenstigsten Boden umgehen und mit ihrer Ausdauer bei körperlicher Arbeit würden sie das Land bewässern und selbst auf felsigem Hügelland üppiges Wachstum hervorlocken; sie würden das kostbare Wasser mit handbetriebenen Maschinen heraufpumpen, die so alt waren wie die Zivilisation in den Gebieten von Kesuat, sie würden ihre Siedlungen unterirdisch mit Schaufeln und Körben anlegen, wo fortgeschrittene Maschinen wirtschaftlichen Ruin bedeuteten, sie würden sich fortpflanzen, bis die Siedlung an ihre Grenzen stieß und dann neue Kolonien gründen, bis die Welt Priamos keine mehr ernähren konnte. Dann würde, durch Instinkt oder bewußte Planung, die Geburtenrate stark absinken, und die überschüssigen Nachkommen würde man von der Welt weisen und sie ihrem Schicksal überlassen. So verlief es immer.
Aber, erinnerte sich Aiela mit einem Kältegefühl im Magen, in weniger als zwei Tagen würde weder die Geschicklichkeit der Amaut noch die der Menschen das Land mehr retten können: Es würde nur noch Schlacke und Asche sein, steril, und selbst der grüne Weiss und das salzige Meer würden verdampft sein.
»Was willst du hier?« fragte Aiela Kleph. »Wer hat dich geschickt?«
Wieder eine Serie von Verbeugungen. »Herr Nas Kame, ich bin Bnesych Gerlachs Hauptbuchhalter. Auch habe ich die große Ehre, dem Bnesych zu dienen, indem ich mit dem Sternenherrn im Hafen Verbindung halte.«
»Du meinst Khasif.«
Entsetzen malte sich auf dem runden Gesicht. Die Lippen zitterten. Plötzlich erkannte Aiela, daß er selbst der Gegenstand dieses Entsetzens war; er war der Fremde draußen und sah, wie Klephs Augen seinen Blick vermieden. »Herr – sie gebrauchen uns gegenüber keine Namen. Bitte. Ich meine das Schiff im Hafen von Weissmouth.«
»Wer hat dich hier eingesetzt?«
»Bnesych Gerlach, ehrenwerter Herr. Um Ihren Schlaf zu bewachen.«
»Nun, ich gestatte dir, draußen zu wachen.«
Kleph blickte auf und zwinkerte ein paarmal, dann verstand er den Befehl, verbeugte sich und knickste den ganzen Weg zur Tür. Sie schloß sich hinter ihm und Aiela stellte sich vor, daß der Kerl ganz dicht draußen warten würde.
Die Sonne sank schnell zum Horizont. Aiela lehnte sich auf das Geländer, und die goldenen Wolken verschwammen vor seinem Blick, er suchte wieder nach Daniel – nicht tot, nicht tot, versicherte ihm Isande. Also würde Daniel zwangsläufig aufwachen, und er würde über einen Raum ohne Dimensionen hinweg in die Empathie mit dem Menschen gezerrt werden, ganz egal, in welchem Zustand dessen Körper überlebt hatte. Seine Abschirmung wurde immer weniger zuverlässig. Der Schweiß brach ihm aus. Er erkannte, daß er in Daniels privates Vergessen gezogen wurde, und wehrte sich; das Geländer schien unwirklich.
Isande bemerkte seine Schwierigkeiten. Sie erhob sich und eilte hinaus zu ihm. Beim zweiten Schritt vom Bett aus erreichte ein Entsetzensschrei sein Bewußtsein. Ihr Körper flog durch die Tür, ihre Hände suchten verzweifelt das Geländer. Aiela fing sie auf und preßte ihren steifen Körper an sich. Ihre Augen starrten hinauf zum Himmel, ihr Bewußtsein raste in die entsetzlichen Tiefen des Firmaments, ein blaugoldener Abgrund, der grenzenlos gähnte.
Er bedeckte ihre Augen und zog ihr Gesicht an sich, betäubt durch das
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