Hanan 2 - Weltenjäger
denn die Menschen taten das gewöhnlich nicht. Es erfüllte ihn mit Sehnsucht nach der sauberen Weite der
Ashanome
, nach vertrauten Leuten mit ehrenwerten Gewohnheiten und durchschaubarem Wesen.
Der Lift fuhr nach oben, und Tejef wandte sich der Tür zum Dhis zu, beunruhigt durch die Harachia der Stelle, wo Margaret gelegen hatte, die Delle in der Metalltäfelung, wo ihr zerbrechlicher Körper aufgeprallt war. Sie hatte ihn oft behindert, ihn von der Vaikka gegen Menschen und Amaut abgehalten, ihn durch ihre Aufmerksamkeiten beschämt. Es war nicht die Unterwürfigkeit eines Kameth, sondern die zähe M'melakhia einer Nasith-tak – aber natürlich gab es kein Takkhenes, keine Einheit des Gefühls dabei; und es hing nicht alles von ihm ab. Sie wollte einfach, daß sie zu ihm und er zu ihr gehörte, und ihre einsame Entschlossenheit hatte eine Arastiethe an sich, die in ihm manchmal den Verdacht aufkommen ließ, daß er der Gegenstand einer Vaikka war, die er nur undeutlich begriff.
Er schämte sich bitterlich, daß seine verdrehten Emotionen ihr in jeder Hinsicht soviel Kummer bereitet hatten, denn in einem ganz persönlichen Bereich seiner Gedanken wußte er ganz genau, was er getan hatte, durchschaute seine Vorwände und begann nun zu vermuten, daß er sie in einer Weise verletzt hatte, die kein Iduve verstehen konnte. Zum erstenmal erkannte er in vollem Ausmaß seine Hilflosigkeit unter einem Volk, das ihm die Arastiethe, die sein Herz brauchte, nicht geben konnte, und er fühlte sich beschmutzt und gekränkt durch das Angebot, das sie ihm machten. Die Widersprüche waren Wahnsinn; sie umschlossen ihn wie eine große Dunkelheit, in der nichts mehr verständlich war.
»Herr?« Arle stand wieder in der Tür und sah mit großer Besorgnis (Arastiethe? Vaikka?) in ihren kalliaähnlichen Augen zu ihm auf. »Herr, wo ist Daniel?«
»Hinaufgegangen. Bei Margaret. Bei Dlechish. Er kann für sie sprechen. Sie hat große Abneigung vor den Amaut: Ich glaube, es geht allen Menschen so. Aber Dlechish – er kümmert sich um sie; und Daniel wird bei ihr bleiben.« Das war eine der längsten Erklärungen, die er jemals in der menschlichen Sprache versucht hatte, außer gegenüber Margaret oder Gordon. Er sah, wie der Zorn in den Augen des Kindes wich und sich in Tränen auflöste und wußte nicht, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war. Die Menschen weinten aus so vielen Gründen.
»Wird sie sterben?«
»Vielleicht.«
Die aufrichtige Antwort schien das Kind zu erschrecken; aber er wußte nicht, warum. Die Verletzungen waren offensichtlich ernst. Vielleicht war es sein Ton. Sie brach in Tränen aus.
»Warum haben Sie sie schlagen müssen?« schrie sie.
Er runzelte hilflos die Stirn. Er hätte das nicht laut aussprechen können, auch wenn er ihre Sprache beherrscht hätte. Und aus der Fülle der Widersprüche heraus, die die Menschen ausmachten, griff das Kind nach ihm.
Er wich zurück, und sie krampfte die Finger ineinander, als ob der Zwang, ihn zu berühren, übermächtig wäre. Sie schluckte die Tränen hinunter. »Sie liebt Sie«, sagte sie. »Sie sagte, Sie würden nie jemandem weh tun wollen.«
»Ich verstehe nicht«, protestierte er; aber er fand, irgendeine höfliche Geste sei bei ihrem Kummer angebracht. Weil es das war, was Margaret getan hätte, streckte er die Hand nach ihr aus und berührte sie sanft. »Geh ins Dhis zurück.«
»Ich habe dort drinnen Angst«, sagte sie. Wieder flossen die Tränen und hörten sofort auf, als Tejef sie bei den Armen packte und sie aufrichtete. Er gab ihr einen ganz leichten Knuff, wie es eine Dhisais bei einem geliebten aber unartigen Kind getan hätte.
»Das gehört sich nicht – Angst zu haben. Steh gerade! Du bist doch ein Nas.« Er ließ sie sehr plötzlich los, als er erkannte, welchen Satz er da gedankenlos wiedergegeben hatte. Er schämte sich. Aber das Kind tat, was er sagte und beruhigte sich, wie er es bei der alten Nophres getan hatte.
»Darf ich bitte auch mit hinaufgehen und bei Margaret bleiben, Herr?«
»Später. Ich verspreche es.« Die Aussicht, daß sie außerhalb des Dhis sein sollte, gefiel ihm nicht, aber die Illusionen mußten aufhören, um ihrer beider willen: das Kind war ein Mensch, und es war niemand mehr im Dhis, der sich um sie kümmern konnte. Die Zeit lief bald ab, und es war nicht richtig, daß sie allein in diesem großen Raum sterben sollte. Sie sollte in der Nähe von Erwachsenen sein, die ihr durch ihr eigenes Beispiel
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