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Hand und Ring

Titel: Hand und Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kathrine Green
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und harrte, es war in der Menge keiner, der dem Manne mit den herkulischen Gliedern, den ausdrucksvollen Zügen, dem Schnurrbart und den blitzenden Augen glich, den er auf seine Skizze, dem Bildnis von Imogen Dare gegenüber, gezeichnet hatte. Jetzt schienen die letzten das Fabrikgebäude verlassen zu haben, und schon glaubte Byrd alle seine kühnen Theorien in nichts zusammenfallen zu sehen, als die kleine Seitentür sich abermals öffnete, und zwei Herren heraustraten.
    Bei dem Anblick des einen stutzte der Detektiv. Er war jung, stark gebaut, von ungewöhnlich dunkler Gesichtsfarbe und trug einen großen Schnurrbart. Zwar hatte sich Byrd nach der Beschreibung die Züge von Frau Klemmens' Neffen anders gedacht, indessen waren Wesen und Haltung des Mannes doch der Art, daß Byrd beschloß, ihm zu folgen. An der Ecke trennten sich die beiden Herren, und jener stieg in die Pferdebahn. Der Detektiv nahm sofort im selben Wagen Platz und hatte das Vergnügen, eine ganze Strecke weit den Rücken des mutmaßlichen Mansell zu beobachten, welcher vorn bei dem Kutscher stand. Dann stiegen andere Fahrgäste ein; ehe er sich dessen versah, war ihm die Aussicht versperrt, und als das Fenster wieder frei wurde, war der junge Mann verschwunden.
    Mißvergnügt begab sich Byrd in sein Hotel zurück. Tags darauf schickte er nach der Fabrik, verschaffte sich MansellsAdresse und mietete sich in demselben Kosthaus ein, das jener bewohnte. Beim Mittagstisch hoffte er Gewißheit zu erlangen, ob der Mann auf dem Bahnhof in Syrakus der wirkliche Craik Mansell und derselbe gewesen sei, dessen Spur er tags zuvor gefolgt war.
    Dem jungen Detektiv war dabei zumute, wie einem Jäger, der sein eifrig verfolgtes Wild endlich erspäht hat. Seine bisher so unerschütterliche Gelassenheit machte einer fieberhaften Erregung Platz.
    Früher als die andern Kostgänger fand er sich im Speisezimmer ein und sah die alten und jungen Herren und Namen nacheinander bei Tische erscheinen; zu allerletzt kam auch der Herr, welchen er am vergangenen Abend so plötzlich aus dem Gesicht verloren hatte. Er zweifelte nun nicht länger daran, daß es Mansell sei.
    Seltsamerweise veränderten sich Herrn Mansells Mienen in dem Moment, als sich ihre Augen begegneten, trotzdem sie einander doch völlig fremd waren. – Byrd fühlte, daß er nicht bloß Beobachter war, sondern selber beobachtet wurde, und bedauerte sehr, keine Verkleidung angenommen zu haben, ehe er das Kosthaus betrat. Er vermied es nun geflissentlich, nach jenem hinzublicken, und ließ sich's eifrig angelegen sein, sich seinen beiden Tischnachbarinnen, der Tochter des Hauses und einem älteren Fräulein, so angenehm wie möglich zu machen. Das Mahl war schon zur Hälfte vorüber, als eine junge Dame in seiner Nähe mit lauter Stimme sagte: Wie spät Sie kommen, Herr Mansell!
    Byrd erkannte, daß er sich getäuscht hatte, sah nach dem Eintretenden hin und konnte sein Staunen kaum verbergen. – Ja, dies war das richtige Urbild seiner Skizze: das ausdrucksvolle düstere Gesicht, die herkulischen Glieder, die kräftige Gestalt, mit der sich keiner der anwesenden Männer messen konnte. Kein Zweifel, dies war der Mann,den Imogen Dare im Bahnhof von Syrakus getroffen. Vergebens hoffte Byrd aber aus der Art seiner Unterhaltung Aufschluß über seinen Charakter zu erhalten; der neue Ankömmling zeigte sich ungewöhnlich schweigsam und schien durchaus nicht in der Stimmung, an dem heiteren oberflächlichen Gespräch teilzunehmen, welches an Frau Harts Mittagstafel im Gange war. So mußte sich denn der junge Detektiv damit begnügen, Mansell genau zu betrachten, und er mußte sich gestehen, daß aus diesen Zügen keine kalte, grausame Verbrechernatur sprach. Wenn er, einer starken Versuchung unterliegend, wirklich den Mordstreich geführt hatte, so konnte dies nur in einem Moment sinnlos heftiger Aufwallung geschehen sein, welchem die bitterste Reue sofort auf dem Fuße gefolgt sein mußte.
    Das änderte jedoch nichts in bezug auf Byrds Pflicht, den Schuldigen zu entlarven und den Unschuldigen zu retten, mochte auch Hildreth nach seinen sonstigen Charaktereigenschaften noch so tief unter Mansell stehen.
    Die erste Frage war gelöst; jetzt kam die zweite an die Reihe: Byrd mußte sich ohne Säumen Gewißheit verschaffen, ob der junge Mann zurzeit der Mordtat in der Nähe des Hauses seiner Tante verweilt habe. Wer war aber der Mann mit dem Schnurrbart, den er zuerst für Mansell gehalten?
    Am Abend versammelten sich

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