Hand und Ring
Augenblick in heftigem Kampf mit sich selbst, dann schien sie einen plötzlichen Entschluß zu fassen. Wozu es noch länger verbergen? sagte sie. Früher oder später werden Sie es ja doch erfahren. Nicht Hildreth ist es, den ich liebe, sondern der andere, dessen Namen Sie nannten – Craik Mansell.
Das Wort war heraus, das ihr nicht über die Lippen gewollt hatte. Eine Weile herrschte tiefes Schweigen, dann gewann Imogen Kraft und Fassung zurück.
Was ich sage, mag Ihnen unglaublich klingen, fuhr sie fort, doch es ist wahr. Ich lernte ihn in Buffalo kennen; sein entschlossenes, kräftiges Wesen zog mich von vornherein an; er war der erste Mann, der mir je einen tieferen Eindruck gemacht hatte. Sein hohes Streben erschloß mir eine Welt, die ich nie gekannt, mir war, als habe auch mein Dasein auf einmal Inhalt und Zweck gewonnen. Ich horchteauf seine Stimme, erwiderte seine Blicke und ehe ich es noch selber recht wußte, hatten wir Worte der Liebe getauscht. Es war der Anfang des furchtbaren Kampfes, dessen Ende – – lassen Sie mich nicht daran denken, oder ich gerate von Sinnen!
In leidenschaftlicher Erregung hatte Orkutt ihre Erklärung vernommen. Endlich fand er Worte: Und mit der Liebe für einen andern im Herzen kehrten Sie in mein Haus zurück, hörten den Ausdruck meiner Gefühle für Sie an, und gaben mir Hoffnung, Sie dereinst zu besitzen?
Wirklich, tat ich das? Ich glaubte, ich hätte Sie nur gebeten, nicht weiter in mich zu dringen. An jenem furchtbaren Tage, als Sie mir Ihre Hand antrugen, wollte ich Ihnen nur zeigen, daß ich nicht undankbar sei für so viel Güte. Zudem war meine Liebe völlig aussichtslos. Hing doch unsere Zukunft von dem Erfolg einer Maschine ab, an deren Ausführbarkeit niemand glauben wollte.
Dem Rechtsanwalt schwebte eine bittere Erwiderung auf den Lippen, doch bezwang er sich und sagte kurz:
Sie haben mir nicht mitgeteilt, welche Beweise Sie gegen Craik Mansell vorzubringen hatten.
Ich habe Herrn Ferris davon unterrichtet und das genügt, war ihre Antwort.
Er schwieg einen Augenblick. Ferris ist Bezirksanwalt und verfolgt den Verbrecher, sagte er dann. Ich aber bin Ihr Freund und kann Ihnen raten und beistehen in der seltsamen Lage, in die Sie sich gebracht haben – wenn Sie offen gegen mich sind.
War denn noch irgendeine Aussicht auf Rettung? Ein Schimmer von Hoffnung schien ihr in der Dunkelheit aufzuleuchten.
Und Sie wollten mir wirklich helfen? fragte sie gerührt. Sie wären großmütig genug, zu vergessen, daß ich Ihnen Schmerz, ja vielleicht Schmach bereite? Siewürden mir Ihren Beistand nicht verweigern, wenn er statt Hildreth vor Gericht gestellt werden sollte?
Es war ein großer, ein folgenschwerer Entschluß, den sie von ihm forderte; Orkutt war nicht so leicht bereit, sich durch ein Versprechen zu binden.
Zuerst muß ich den Tatbestand kennen, ehe ich mich weiter darüber ausspreche, entgegnete er.
Imogen sah sich ängstlich nach allen Seiten um, dann flüsterte sie: An jenem Morgen war Craik Mansell von allen unbemerkt im Hause seiner Tante. Der Ring – –
Nun? fragte Orkutt gespannt; alle Zweifel und Unruhe, die ihm dieser Ring schon bereitet hatte, bestürmten ihn von neuem.
Er gehörte ihm, fuhr sie fort, es war ein Erbstück seiner Mutter; er hatte den Diamant für mich neu fassen lassen. Tags zuvor trafen wir uns im Walde hinter dem Hause seiner Tante, er wollte mir den Ring an den Finger stecken, aber ich litt es nicht. Die Zutunst sah zu trübe aus, es war keine Aussicht vorhanden, daß unsere Wünsche je in Erfüllung gehen würden.
Verstehe ich Sie recht? fragte Orkutt halb staunend, halb entrüstet. Sie hatten im Walde eine Zusammenkunft mit diesem Menschen am Tage vor der Mordtat? Und am andern Morgen begab er sich nach dem Hause und verlor dort im Zimmer den Ring?
Ja, so ist es.
Schweigend schritt der Rechtsanwalt mehrmals in dem Gemach aus und ab, endlich blieb er vor Imogen stehen.
Also nur, weil Sie den Ring jenes Herrn dort im Zimmer fanden, halten Sie ihn für den Mörder seiner Tante? – Es lag etwas wie Spott in dem Ton seiner Frage.
Es beweist seine Anwesenheit daselbst; dazu kamen die furchtbaren Worte der Sterbenden: »Ring« und »Hand«, und wenn ich an Herrn Mansells Aeußerungen bei unsererUnterredung denke – sie hielt inne, von Grauen überwältigt.
Was hat er Ihnen damals gesagt? drängte der Rechtsanwalt.
Imogen schüttelte das Haupt, dann murmelte sie: Die fünftausend Dollars, die seine Tante hinterläßt,
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