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Hand und Ring

Titel: Hand und Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kathrine Green
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Aufpasserei gehörig einsalzen kann, versetzte jener, ohne sich darum zu kümmern, daß seine rohe Art dem zarter besaiteten Kollegen abstoßend war.
    Allerdings war Ferris durch Hickorys Einflüsterung,daß Fräulein Dare mehr von dem Verbrechen wisse, als sie vor Gericht ausgesagt habe, höchlich beunruhigt worden. Er fragte sich allen Ernstes, ob es nicht seine Pflicht sei, das Verhör wieder zu eröffnen, um festzustellen, wo sich Imogen befunden habe, als der Mord verübt wurde. Aber nur wenn er eine neue Tatsache vorzubringen hatte, welche geeignet war, der Verteidigung ihren scheinbar unanfechtbaren Standpunkt zu rauben, konnte die Wiederaufnahme für gerechtfertigt gelten.
    Nach langem Ueberlegen kam der Bezirksanwalt endlich zu dem Entschluß, sich womöglich Gewißheit zu verschaffen, ob Imogen wirklich aus Rücksicht für den Angeklagten etwas verschwiegen habe, was für die gerichtliche Entscheidung bestimmend sein könne.
    Er suchte sie zu diesem Zweck gegen acht Uhr auf, fand jedoch die Aufgabe, die er sich gestellt hatte, keineswegs leicht. Imogen empfing ihn mit Kälte und Zurückhaltung; sie sah todmüde aus und doch unnatürlich aufgeregt, als habe sie viele Nächte lang kein Auge geschlossen. Wohl war es grausam, sie von neuem zu ängstigen und zu quälen, aber Ferris fühlte deutlich, es werde ihm keine Ruhe lassen, wenn er nicht die Gelegenheit ergreife, um seinen neu erwachten Zweifeln ein für allemal ein Ende zu machen.
    Ich bedauere lebhaft, Sie heute noch einmal belästigen zu müssen, Fräulein Dare, sagte er nicht ohne Teilnahme. Es ist jedoch meine Pflicht, noch eine Frage an Sie zu stellen, welche ich auf dem Herzen habe –
    Sie ward sehr bleich, begann zu schwanken und griff nach einem Stuhl. Nachdem sie Platz genommen und auch Ferris durch eine Gebärde zum Sitzen aufgefordert hatte, gewann sie ihre Fassung wieder. Welche Frage? murmelte sie; ich verstehe Sie nicht.
    Bei allen Ihren Aussagen, sowohl mir gegenüber alsvor Gericht, haben Sie nie erwähnt, wie Sie die erste Nachricht von dem Verbrechen erhalten haben. Waren Sie –
    Ich hörte die Leute auf der Straße davon sprechen, unterbrach sie ihn mit fieberhafter Hast.
    Da hörten Sie es zuerst?
    Ja, zuerst.
    Waren Sie seit längerer Zeit auf der Straße, vielleicht schon als der Mord begangen wurde? – Es wäre uns von Wichtigkeit, das festzustellen, fügte er hinzu, als er sie die Farbe wechseln sah.
    Herr Bezirksanwalt, rief sie plötzlich entrüstet aufspringend, was sollen diese neuen Fragen, nachdem ich mein Zeugnis abgegeben habe und, soviel ich weiß, das gerichtliche Verhör zu Ende ist?
    Schnell entschlossen nahm Ferris sie bei der Hand und führte sie vor den Spiegel. Blicken Sie hierher, sagte er fest, in Ihrem Gesicht steht es geschrieben, warum ich auf einer Antwort bestehen muß.
    Einen Augenblick starrte sie entsetzt in ihre eigenen Züge, dann sank ihr Haupt auf die Brust; sie hielt sich krampfhaft mit den Händen am Tisch fest, um nicht umzusinken. Es dauerte einige Zeit, bis sie die Schwäche überwunden und eine Entscheidung getroffen hatte.
    Was wünschen Sie zu wissen? fragte sie mit kaum hörbarer Stimme, ich will Ihnen Rede stehen.
    Wo waren Sie an dem Tage von Frau Klemmens' Ermordung, als die Uhr zwölf schlug?
    Sie hob den Blick empor, ihre hohe Gestalt stand plötzlich stolz aufgerichtet vor ihm da.
    Ich war in Professor Darlings Villa, erklärte sie mit großer Bestimmtheit.
    Die Antwort kam Ferris überraschend, er sah Imogen zweifelnd an.

    Trauen Sie meinem Worte nicht? fragte sie, ist das möglich nach allem, was dieser Stunde vorhergegangen ist?
    Nein, Fräulein Dare, nach dem Opfer, das Sie gebracht haben, um der Gerechtigkeit zu dienen, wäre es Vermessenheit meinerseits, wollte ich jetzt an Ihrer Aufrichtigkeit zweifeln. –
    Sie atmete erleichtert auf.
    So genügt Ihnen also meine Antwort, und Sie sind zufriedengestellt?
    Ja, wenn Sie noch hinzufügen wollen, daß Sie in Professor Darlings Sternwarte im Turmzimmer waren, erwiderte er rasch, als hoffe er so dem Rätsel auf die Spur zu kommen.
    Ja, dort war ich, bestätigte sie ohne Zögern.
    Wirklich? – Er stockte und die Röte stieg ihm in sein Mannesantlitz. Dann können Sie mir vielleicht sagen, wie es kam, daß das Mädchen Sie nicht dort fand, als es hinaufgeschickt wurde, um Sie zu holen, weil eine Dame Sie zu sprechen wünschte?
    Die Worte trafen sie wie ein Donnerschlag. O, rang es sich stöhnend aus ihrer gepreßten Brust, Sie haben

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