Handy-Falle
Dunkelheit stand und die kalte Nachtluft einatmete, beruhigte sich ihr Herzschlag langsam wieder.
Wo ist Anna?
Als Franziska am Montag in der großen Pause auf sie zu gerannt kam, sah Kim sofort, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Franziskas sonst stets fröhliches Gesicht war ungewöhnlich ernst und besorgt.
»Anna ist nicht da«, sagte sie, ohne sich lange mit einer Begrüßung aufzuhalten.
»Wie? Nicht da?«, fragte Kim verdutzt. »Ist sie krank?«
Franziska schüttelte den Kopf. »Nein. Zumindest haben ihre Eltern sie nicht entschuldigt. Frau Pauli hat gefragt, ob von uns jemand weiß, warum Anna fehlt. Aber niemand hatte etwas von ihr gehört.«
»Vielleicht hat sie übers Wochenende die Grippe bekommen«, sagte Kim und versuchte, ihre wachsende Unruhe zurückzudrängen. »Und ihre Mutter hat vergessen, in der Schule anzurufen. Kann doch sein, oder?«
»Am Freitag war sie jedenfalls noch putzmunter«, stellte Franziska fest und sah Kim besorgt an. »Meinst du, ihr ist etwas passiert? Vielleicht haben wir uns am Freitagabend in der Kneipe doch zu auffällig benommen, und dieser Michi hat Verdacht geschöpft. Was, wenn er Anna irgendwo aufgelauert hat? Vielleicht hat er sie auch übers Handy so sehr eingeschüchtert, dass sie sich nicht mehr in die Schule traut …«
Kim schüttelte den Kopf und sagte bestimmt: »Unsinn. Wenn Anna etwas zugestoßen wäre, hätten ihre Eltern längst die Polizei eingeschaltet. Außerdem kann ich mir immer noch nicht vorstellen, dass Michi der Erpresser ist …«
Franziska seufzte. »Das haben wir doch schon ausführlich besprochen. Er hat das Geld aus der Telefonzelle geholt, also muss er irgendetwas mit der Erpressung zu tun haben.«
»Ja, schon, aber …«, setzte Kim an, doch Franziska unterbrach sie.
»Außerdem hat er ein erstklassiges Motiv«, sagte sie. »Er braucht Geld für sein Mofa. Und er hat ziemlich verdächtig auf unse-re Fragen reagiert, das musst du zugeben. Zum Schluss war er total wortkarg. Fast schon unfreundlich.«
»Jetzt übertreibst du aber ein bisschen«, sagte Kim, doch sie wusste, dass Franziska recht hatte.
Franziska und Marie waren beide der Meinung, dass Michi der Erpresser war, und Kim hatte sie auch während ihrer stundenlangen Diskussionen am Wochenende nicht vom Gegenteil überzeugen können. Es sprach leider wirklich alles gegen Michi, das war nicht zu leugnen. Trotzdem konnte sich Kim einfach nicht vorstellen, dass er der Erpresser war. Er musste irgendwie in die Sache hineingerutscht sein. Aber wie? Kim hatte schon hin und her überlegt, aber ihr war keine überzeugende Erklärung eingefallen. Stattdessen hatte sie ständig sein Gesicht mit den blaugrünen Augen und dem umwerfenden Lächeln vor sich gesehen. Dieser Michi ging ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf.
Es klingelte zum Ende der Pause, und Kim und Franziska folgten dem Strom der Schüler ins Schulgebäude.
»Wir können ja nach der Schule bei Anna vorbeifahren, wenn es dich beruhigt«, schlug Kim vor. »Vielleicht liegt sie wirklich krank im Bett, dann kannst du ihr gleich die Hausaufgaben vorbeibringen.«
Sie liefen gerade am schwarzen Brett vorbei, und Franziska griff plötzlich nach Kims Arm. »Jetzt sieh dir das an!«, rief sie aufgeregt und zeigte auf einen grellbunten Aushang. »Das gibt’s doch nicht!«
»Super-Sonderangebot – nur für Schüler des Georg-Lichtenberg-Schulzentrums«, las Kim vor. »Neuwertige Handys zu konkurrenzlos günstigen Preisen – nur bei uns und nur für kurze Zeit …« Sie sah Franziska verständnislos an. »Na und? Willst du dir etwa ein neues Handy kaufen?«
Franziska schüttelte ungeduldig den Kopf. »Quatsch! Aber guck doch mal, von wem diese Werbung stammt!« Sie pikste mit dem Finger auf den unteren Teil des Werbezettels. »Millbrandt & Sohn! Na, klingelt es jetzt bei dir?«
Franziskas Worte trafen Kim wie eine Faust in den Magen. Sie schluckte. Millbrandt! Das war Michis Nachname.
»Komischer Zufall, oder?«, sagte Franziska. »Anna wird per Handy erpresst, unser Hauptverdächtiger heißt Michi Millbrand, und ein Laden namens Millbrandt und Sohn lockt mit Sonderangeboten für billige Handys Schüler an. Du kannst sagen, was du willst: Da ist was faul.«
Kim nickte langsam. Franziska hatte recht, das konnte wirklich kein Zufall sein. Ob sie es wollte oder nicht, die Schlinge zog sich immer enger um Michis Hals zusammen. Es deuteten einfach zu viele Hinweise auf ihn. Sie mussten der Sache nachgehen.
»Wir können
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