Handyman Jack 02 - Der Spezialist
Plastikfolie eingewickelt, als steckten sie in Sauerstoffzelten, und andere trugen Bandagen um ihre Stämme.
»Was ist das denn?« fragte er. »Eine Baumklinik?«
Sie lachte, und es wurde Jack bewußt, daß dies das erste Mal war, daß er diesen Laut von ihr hörte.
»Das sollten Sie viel öfter tun«, riet er ihr.
»Was denn?«
»Lachen.«
Ihr Gesicht wurde wieder ernst. »Das wird auch bestimmt wieder geschehen … sobald das Haus weg ist.« Ehe Jack irgend etwas dazu sagen konnte, drehte sie sich um und deutete mit einer behandschuhten Hand auf den Raum. »Wie dem auch sei, das ist mein Hobby: Pflanzenpfropfung.«
»Tatsächlich?« fragte er, trat in den Raum und sah sich um. »Kann so etwas ein Hobby sein?«
»Für mich ist es das. Oder eine Art Therapie. Ganz gleich, was es ist, es schenkt mir … Freude.«
Für einen kurzen Moment hatte er das seltsame Gefühl, daß sie »Frieden« sagen würde.
»Wie kommt man ausgerechnet auf so eine Freizeitbeschäftigung?«
»Ich weiß es nicht genau. Es hat im College angefangen. Direkt vor dem Fenster in meinem Studentenheim stand ein kranker Baum. Alle anderen Bäume ringsum gediehen prächtig, nur dieser eine wirkte schwächlich und hatte viel weniger Laub als die anderen. Und die paar Blätter, die er hatte, waren verschrumpelt und viel kleiner als die seiner Nachbarn. Ich machte es mir zur Aufgabe, diesen Baum zu retten. Also goß ich ihn, düngte ihn, aber es half nichts. Es wurde nur noch schlimmer. Daher fragte ich einen der Landschaftsgärtner, woran es seiner Meinung nach liegen könnte, und er antwortete: ›Schlechte Wurzeln. Bei schlechten Wurzeln kann man nichts machen.‹ Sie wollten ihn herausreißen und an der Stelle einen neuen Baum pflanzen.«
»Erzählen Sie mir bloß nicht«, sagte Jack, »daß Sie eine Rettet-den-Baum-Bewegung ins Leben gerufen haben.«
»Ja, richtig … ›Waldmann, Waldmann, schon den Baum.‹« Sie schüttelte den Kopf. »Glauben Sie mir, neben meinen medizinischen Kursen und meinem Job als Serviererin hatte ich kaum Zeit zum Schlafen, geschweige denn, um mich als aktive Baumschützerin zu betätigen. Nein, ich informierte mich über die Methode der Pfropfung, nahm einige Zweige – sie werden ›Stecklinge‹ genannt – von dem kranken Baum und fügte sie in einen Ast eines gesunden Baums ein, dann verschloß ich die Verbindungsstelle mit einem speziellen Baumwachs. Kurz danach fällten sie den kranken Baum und ersetzten ihn. Aber er war nicht richtig tot, wissen Sie. Ein Teil davon lebte ganz gut auf seinem Nachbarn. Als ich dann meine Abschlußprüfung ablegte, wuchs der aufgepropfte Ast wie verrückt – er war bei weitem der laubreichste Ast am ganzen Baum.«
Ihre blaugrauen Augen strahlten bei der Erinnerung.
»Ich gratuliere«, sagte Jack.
»Vielen Dank. Danach wurde es für mich zu einer Leidenschaft. Ich gehe in eine Baumschule und suche mir den mickrigsten Schößling heraus. Ich kaufe ihn für ein Trinkgeld zusammen mit einem anderen, gesünder aussehenden Exemplar der gleichen Art, bringe beide nach Hause und pfropfe den kranken auf den gesunden.«
»Das macht Sie glatt zur Florence Nightingale der Baumwelt, oder war das Frankenstein?«
»Ich hoffe doch Florence. Die Pfropfverbindung ist tatsächlich stärker als der ganze restliche Baum, und der Steckling wächst meistens schneller und üppiger als die eigenen Äste des Unterbaums. Aber vielleicht steckt in mir ein kleines Stück der Seele Frankensteins. Ich habe, was man einen ›Litronen‹-Baum nennen könnte. Ich habe einen Ast von einem kränkelnden Limonenbaum auf einen gesunden Zitronenbaum aufgepfropft. In ein paar Jahren trägt er Zitronen und Limonen – gleichzeitig.«
»Klar«, sagte Jack. »Und was wollen Sie für diese hübsche kleine Brücke nach Brooklyn haben?«
»Nein, es ist wahr. Man kann die gleiche Art pfropfen, aber man kann keine Gattungen kreuzen.«
»Ich glaube, ich verstehe nicht.«
»Zitronen, Limonen, Pampelmusen gehören alle zur Gruppe der Zitrusfrüchte – eine verträgt sich gewöhnlich mit einer anderen von der gleichen Art. Aber dieser Limonensteckling hätte niemals, sagen wir, auf einem Apfel- oder einem Birnbaum gedeihen können.«
Jack ging im Raum umher und untersuchte die sich erholenden Pflanzen.
»Sie nehmen also zwei Bäume und fügen sie zu einem zusammen.«
»Es ist eine sehr seltsame Form der Mathematik«, meinte Alicia. »In einem meiner Fachbücher über das Pfropfen steht: Eins plus eins
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