Handyman Jack 04 - Tollwütig
äußerte sich aber nicht darüber. Abe würde sich nur in seiner Theorie bestätigt sehen.
»Es ist eine große Stadt. Hier gibt es eben viele verschiedenen Typen.«
»Das ist kein isolierter Zwischenfall. Ich sehe diese Entwicklung überall. Ich sage dir, es ist ein Trend. Die Leute drehen ohne triftigen Grund durch – oder vielleicht auch nur aus einem nichtigen Grund. Und alles nur, weil die Stadt zu sicher ist. Aufgestautes Adrenalin. Nicht mehr beherrschbare Macken. Irgendetwas muss schnellstens getan werden.«
Abe war jetzt richtig in Fahrt gekommen, und Jack wäre liebend gerne noch geblieben, um festzustellen, wie lange er sich diesen Unsinn anhören konnte, aber er musste gehen.
»Hat dieser dein Gedankenzug schon einen Bremswagen?«
»Noch nicht.«
»Dann weiß ich nur eins«, sagte Jack und ging zur Tür. »Rufe am besten eine Bürgerinitiative für ein gefährlicheres New York ins Leben. Und während du damit beschäftigt bist, gehe ich einen neuen Kunden besuchen.«
»Nimm dich da draußen in Acht«, rief Abe ihm nach. »Die Verrückten lauern überall.«
4
Nadia war wie berauscht, als sie die im gerade angesagten Art-deco-Stil gehaltene Lobby des funkelnden dreißig Stockwerke hohen Bürogebäudes in der East Thirty-fourth Street betrat. Die Vorfreude wischte all ihre früheren Bedenken mit einem Mal beiseite. Endlich, nach zwei Wochen der Orientierung und der Akklimatisierung, sollte sie mit dem Projekt vertraut gemacht werden, für das sie eingestellt worden war.
Aber ihre Euphorie kondensierte sich zu einem eisigen Bleiklumpen in ihrem Magen, als sie einen der Männer erkannte, die mit ihr die Fahrstuhlkabine teilten. Er war um die fünfzig Jahre alt, und sein beige und anthrazitfarben karierter Anzug hatte sicherlich zweitausend Dollar gekostet, vielleicht sogar mehr, wenn man die Schneiderarbeit berücksichtigte, die sicherlich für die vollendete Passform um seine breiten Schultern nötig gewesen war. Seine auf Hochglanz polierten schwarzen Schuhe waren aus irgendeinem gemusterten Leder gefertigt – Eidechse, Klapperschlange oder irgendein anderes dafür geeignetes Reptil – keine Krawatte, dafür eine mit Diamanten besetzte Nadel, die den Kragen seines Hemdes sicherte. Sein gegeltes jettschwarzes Haar war wie ein glänzendes Fell von seinem rötlichen Gesicht glatt nach hinten gekämmt. Es hob seine ausgeprägten Wangenknochen, seine kräftige Nase und seine dünnen Lippen hervor. Der Blick seiner kalten, dunklen Augen wischte durch die Fahrstuhlkabine, blieb kurz auf Nadia hängen, dann wanderte er weiter: ein Raubtier, das die unmittelbar verfügbare Rattenpopulation taxierte.
Milos Dragovic.
Nadias Mut sank noch mehr, als sie sah, dass er auf den Knopf neben der 16 drückte, die bereits erleuchtet war, weil sie ein paar Sekunden vorher darauf gedrückt hatte.
Er war unterwegs zu den GEM-Büros. Warum? Um Dr. Monnet erneut zu erpressen? Das konnte sie nicht ertragen. Dem musste sofort Einhalt geboten werden. Sie war plötzlich froh, Jack engagiert zu haben. Alle Zweifel waren wie weggewischt. Sie hatte genau das Richtige getan.
Sie beobachtete Milos Dragovic aus den Augenwinkeln. Keine Frage, er hatte eine erdrückende Ausstrahlung, wie sie sie eigentlich auch von Handyman Jack erwartet hatte. Er strahlte Macht aus, ein echtes Alpha-Männchen, das darauf achtete, dass niemand es übersah. Hier war ein Mann, der es nötig hatte, wahrgenommen zu werden – der verlangte, dass man ihn wahrnahm – wohingegen Jack eher größtmögliche Unsichtbarkeit bevorzugte.
Nadia konnte erkennen, weshalb Models und Filmsternchen und Prominente von Dragovic angezogen wurden. Seine Gesichtszüge, sein Haar, sein Körperbau, sein Auftreten hatte etwas Urwelthaftes an sich. Wenn es so etwas gab wie animalischen Magnetismus, dann besaß Milos Dragovic ihn.
Sie schnupperte. Die Fahrstuhlkabine hatte sich im Nu mit seinem moschusartigen Eau de Cologne gefüllt – wahrscheinlich Eau de Testosterone oder etwas Ähnliches.
Er schien alleine zu sein. Nadia sah sieh verstohlen um. Das andere halbe Dutzend Mitfahrer schienen ganz normale Angestellte zu sein wie sie. Waren Gauner wie Dragovic nicht immer mit Leibwächtern und Helfern unterwegs?
Schließlich hielt die Kabine im sechzehnten Stock an, wo sich die Verwaltungs- und Direktionsbüros von GEM Pharma befanden. Dragovic stieg vor ihr aus, wo er vor einer Glaswand stehen blieb, in die das Logo von GEM Pharma eingeätzt war. Claudine,
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