Handyman Jack 05 - Todesfrequenz
Lippenstift-Lesbe ist, machte das Erkennen schwieriger.«
»Kein Wunder, dass sie sich wie auf rohen Eiern bewegt, wenn ich in ihrer Nähe bin. Kate… ich kann’s nicht fassen.«
»Stört es dich?«, wollte Gia wissen. »Nun komm schon, Jack, rede. Du behältst immer alles für dich und beschäftigst dich ständig damit. Tu das nicht. Rede mit mir.«
»Okay. Stört es mich? Nein. Mit allem, was Kate sich wünscht, bin ich einverstanden. Aber ob ich geschockt bin? Ja. Weil ich diese Entwicklung niemals gesehen habe. Ich bin mit ihr aufgewachsen, Gia. Es gab niemals ein Anzeichen, niemals irgendeinen auch noch so vagen Hinweis.«
»Zumindest keinen, der dir aufgefallen wäre.«
»Zugegeben. Ich war noch ein Kind und habe nicht darauf geachtet. Aber sie hatte immer Freunde und… Gia, es ist ähnlich wie bei der Richtung eines Weges, von dem ich immer dachte, er führe nach Norden, dabei erfahre ich jetzt, dass er nach Süden geht. Soll ich zurückgehen und mit ihr reden? Ihr sagen, ich wüsste Bescheid und es wäre okay? Vielleicht kann sie sich danach in meiner Nähe ein wenig entspannen und sich lockerer benehmen.«
Jack war daran gewöhnt, in den meisten Situationen zu wissen, was er tun sollte. Doch bei dieser Sache war er einigermaßen ratlos.
»Wenn du mich schon fragst«, erwiderte Gia, »dann ja.
Anderenfalls werdet ihr einander ständig ausweichen: Sie wird verbergen, was sie ist, und du verbirgst, dass du weißt, was sie verbirgt. Aber nicht ich bin es, der sich entscheiden muss. Und was immer du tust, bewahre es dir für morgen auf. Kate hatte heute schon genug zu bewältigen, meinst du nicht?«
Jack schlang Gia einen Arm um den Hals und küsste sie auf den Mund. Was würde er ohne sie tun?
»Danke.«
Sie fuhr ihm mit den Fingern durchs Haar. »Kein guter Tag für Handyman Jack, hmm?«
»Ein lausiger Tag.«
»Nun, Vickys Babysitter bleibt noch bis Mitternacht. Wir könnten zu dir gehen, und vielleicht, nur vielleicht, wenn wir angestrengt nachdenken, fällt uns etwas ein, womit wir dir helfen können, wenigstens für einige Zeit deine Sorgen zu vergessen.«
Es war schon eine ganze Woche her. Jack hatte bereits Entzugserscheinungen.
»Ich finde, es ist eine ganz und gar wundervolle ...«
Er bemerkte auf der anderen Seite eine Frau, die herüberstarrte. Nicht zu ihnen, sondern auf einen Punkt über ihnen. Sie schien sich in einer Art Trance zu befinden. Etwas an ihrem Gesicht erschien ihm vertraut.
»Was ist los?«, fragte Gia.
»Sieh dir mal diese blonde Frau da drüben an. Kennen wir sie?«
»Der bin ich noch nie begegnet.«
Jack folgte dem Blick der Frau und verspürte ein plötzliches Unbehagen, als er erkannte, dass ihre Aufmerksamkeit dem westlichen Ende des dritten Stocks galt.
»Sie schaute zu Jeanettes Apartment«, flüsterte Gia.
Er blickte abermals zu der Frau, und jetzt erkannte er sie. Aus der Seance oder was immer er am Abend vorher in der Bronx beobachtet hatte.
»Das gefällt mir nicht«, sagte Jack. Nicht mit Kate in dieser Wohnung.
»Sieh mal dort drüben«, sagte Gia jetzt und deutete mit einem Kopfnicken nach links. »Unten an der Ecke.«
Jack entdeckte den Mann sofort. Obwohl Jack ihn nicht erkannte – einige Teilnehmer der Seance hatten ihm den Rücken zugewandt, als er durchs Fenster geblickt hatte –war er sicher, dass er ebenfalls zur Sekte gehörte. Denn auch er starrte zu Jeanettes Apartment hinauf.
Wie viele Verrückte sind heute Nacht denn noch unterwegs, fragte er sich, während er die Straße absuchte. Außer diesen beiden konnte er niemanden mehr sehen.
Jack ging bis zum Bordstein, um selbst einen Blick auf Jeanettes Fenster zu werfen, und bemerkte in einem von ihnen eine menschliche Silhouette. Er kam sich plötzlich vor wie leibhaftig in den Film
Psycho
versetzt und vor Bates Motel stehend. Der Terrakotta-Schädel, der ihn mit aufgerissenem Maul vom Bogenfries über dem Fenster anstarrte, verstärkte sein Unbehagen noch um einiges.
Dann verschwand der Schatten vom Fenster. Jack rief sich schnell den Grundriss der Wohnung ins Gedächtnis und entschied, dass das Fenster zu Jeanettes Arbeitszimmer gehören musste. Käme sie jetzt etwa heraus, um die beiden zu treffen?
»Komm, wir gehen dort hinüber«, sagte Jack und schob Gia aus dem Lichtkegel, der aus der Vorhalle drang, heraus und in den Schatten seitlich davon.
Und tatsächlich, ein paar Minuten später erschien Jeanette. Sie überquerte die Straße und begrüßte die beiden Wartenden.
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