Handyman Jack - Story-Sammlung
Vorschein kamen, als er ihm eine abgeschnittene Hand zugeschickt hatte?
Oder war da doch etwas Wahres dran? Der Fluch eines Toten?
Howard beschloss, die Sache wissenschaftlich anzugehen. Die einzige Möglichkeit, eine Hypothese zu beweisen, besteht darin, sie durch Feldforschung zu überprüfen. Er schüttete das zweite Bier hinunter. Er würde noch mal unter Leute gehen.
Als er die Überreste seiner Mahlzeit zusammenräumte, bemerkte er einen stechenden Schmerz in seinem rechten Arm. Er rieb daran, aber es wurde nicht besser. Er überlegte, ob er sich den Arm vielleicht verrenkt hatte. Eventuell war er zu heftig zurückgezuckt, als er morgens die Hand berührt hatte. Nein, er konnte sich nicht erinnern, da einen Schmerz gefühlt zu haben. Er tat die Sache ab, zog sich einen Pullover über und trat hinaus in die Frühlingsnacht.
Die Luft war kühl und es zog feucht und salzig von der Bucht herüber. Die Nacht war viel zu schön, um sich wieder in den Porsche zu setzen, daher beschloss er, die paar Blocks nach Westen zu den Strandcafes zu gehen. Nach wenigen Schritten bemerkte er, dass der Schmerz in seinem Arm verschwunden war.
Canterburys war der erste Laden, an dem er auf der frisch renovierten Strandpromenade entlangkam. Er war hier mit seinen hiesigen Klienten schon ein paarmal eingekehrt. Zum Mittagessen war das Restaurant sehr gut, aber nach fünf war das ein Abschleppschuppen. Wenn AIDS der Single-Szene auf der Suche nach einem One-Night-Stand einen Dämpfer versetzt hatte, dann war im Canterburys davon nichts zu spüren. Rund um die ovale Bar drängten sich die Yuppies. Es war verqualmt und laut.
Howard quetschte sich durch bis zur Theke und hatte plötzlich wachsweiche Knie. Er musste sich an der Mahagonieinfassung festhalten und sah zu dem Kerl, der rechts direkt neben ihm stand. Der schüttete gerade einen Kurzen in sich hinein und spülte großzügig mit Bier hinterher. Vor ihm standen bereits vier leere Schnapsgläser.
Howard stolperte zu den Nischen im hinteren Teil des Ladens und fühlte sich augenblicklich besser.
Gott, es stimmt wirklich! Es ist wahr!
Als er sich durch die Menge schob, stürmte eine komplexe Melange aus Geilheit, Langeweile, Müdigkeit und Betrunkenheit auf ihn ein. Es war eine Erlösung, die verhältnismäßige Ruhe der letzten Nische ganz hinten zu erreichen. Die Gefühle und Befindlichkeiten der Menschen im Raum wurden zu einem Hintergrundrauschen, einer Art emotionalem Klangteppich.
Aber sie waren noch da. Auf seinem Weg nach Hause hatte er noch Körperkontakt gebraucht – mit dem Parkwächter und dem Mädchen bei McDonalds –, um diese Schwingungen zu empfangen. Jetzt schien er die Gefühle auch durch die Luft empfangen zu können.
Howard schloss die Augen und rieb sich die Stirn. Das konnte nicht wahr sein, das konnte nicht real sein. Das war etwas aus ›Twilight Zone‹ oder ›Outer Limits‹. Solche Sachen passierten keinem Howard Weinstein in einem durchschnittlichem Kaff wie Monroe auf Long Island.
Aber die eigene Wahrnehmung ließ sich nicht zur Seite drängen. Er hatte sich betrunken gefühlt, bevor er sah, wie der Kerl an der Bar sich die Kante gab. Oder doch nicht?
Vielleicht hatte er den Mann mit dem Bier und den Kurzen un-bewusst wahrgenommen, als er zur Bar gekommen war, und sein Verstand hatte dann den Rest hinzugefügt.
Es war alles so verwirrend. Wie konnte er sichergehen?
»Kann ich Ihnen etwas bringen, Mr Weinstein?«
Howard sah auf. Eine dralle Blondine stand vor ihm mit einem Tablett unter dem Arm und einem Block in der Hand. Sie war um die dreißig mit zu viel Make-up und zu blonden Haaren, aber insgesamt nichts, was er von der Bettkante stoßen würde. Sie trug das im Canterburys übliche Kellnerinnenkostüm, bestehend aus kurzem Rock, schwarzen Strümpfen und einer tief ausgeschnittenen Bluse, und sie lächelte.
»Woher kennen Sie meinen Namen?«
»Wie sollte ich nicht? Sie sind schließlich einer der wichtigsten Männer in Monroe, oder etwa nicht?«
Sie war an ihm interessiert. Howard konnte zwar nicht ihre Gedanken lesen, aber er spürte ihre aufgeregte Reaktion auf seine Gegenwart. Wahrscheinlich machten Geld und Macht sie an und in ihren Augen stand er für beides. Er registrierte eine Spur sexueller Erregung und ein deutliches Herzklopfen.
Herzklopfen weswegen? Weil sie bei ihm abblitzen könnte? Er würde herausfinden, ob sich das beeinflussen ließ.
»Es freut einen, wenn man erkannt wird«, sagte er. »Vor allem von einer so
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