Handyman Jack - Story-Sammlung
nur die Waagschalen aus. Sie hätten das, was Sie da getan haben, nicht tun müssen, haben es aber trotzdem getan. Ich müsste das, was ich gerade tue, nicht tun, tue es aber trotzdem. Wie Sie schon sagten: Quid pro quo. Eine Hand wäscht die andere. Und jetzt gehen Sie mir aus den Augen.«
Das tat Jack. Er folgte Evans zum Hinterausgang der Polizeiwache.
»Das jetzt zu tun kostet ihn wirklich Überwindung«, sagte Evans auf dem Weg hinaus. »Er nimmt es sonst mit den Vorschriften sehr genau.«
»Das habe ich mir fast gedacht.«
Jack konnte nachvollziehen, was es für Carruthers bedeuten musste, sich über die Regeln seiner ganzen Berufslaufbahn hinwegzusetzen, und er wusste das zu würdigen. Er blieb in der Hintertür stehen und drehte sich zu Evans um.
»Er meint, wir wären quitt, aber das sind wir noch nicht. Ich schulde ihm etwas. Ich gebe Ihnen eine Telefonnummer. Wenn es jemals etwas gibt, was ich für ihn tun kann …«
»Es ist bedauerlich, aber auch Sie werden seinen kleinen Bruder nicht aus Costins Laden herausholen können.«
Die Erkenntnis ließ Jack einen Schritt zurückweichen.
»Der als Geisel genommene Polizist ist der Bruder von Carruthers?«
»Ja, Streifenpolizist Louis Carruthers. Zweiundzwanzig Jahre alt. Können Sie da irgendwelche Wunder aus dem Hut zaubern?«
Jack erinnerte sich an etwas, was Julio ihm im Keller seiner Kneipe gezeigt hatte.
»Man weiß ja nie.«
Er drehte sich um und hastete davon.
3
Unten im Keller, ein Stockwerk unter der Kneipe, hinter den Spirituosenkisten und den Bierfässern, stand eine alte Anrichte vor der Wand. Die Scheiben waren längst verschwunden und eine dicke Staubschicht überdeckte die Kratzer in dem ramponierten Mahagoni-Furnier.
Jack keuchte und stöhnte, als er mit Julio den Schrank von der Wand wegwuchtete.
»Siehst du?«, meinte Julio und deutete auf das rechteckige Loch in der Wand. »Es ist immer noch da.«
Costins Laden grenzte an die Rückwand von Julios Kneipe. Vor Jahren hatte Jack einmal gefragt, ob es noch einen geheimen Fluchtweg aus der Kneipe gab – abgesehen von der Hintertür. Julio hatte ihn in den Keller geführt und ihm den alten Lüftungsschacht gezeigt, der vom Keller nach oben führte.
»Hilf meinem Gedächtnis mal auf die Sprünge. Wo führt der Schacht hin?«
Julio reichte ihm die Taschenlampe und grinste.
»Nach oben. Mehr weiß ich nicht. Ich wollte das auch nie wissen. Du wirst der Erste sein, der da hineinkriecht, seit ich den Laden gekauft habe.«
Jack schob den Kopf und die Schultern durch das Loch und leuchtete mit der Taschenlampe nach oben. Brüchige Backsteine, Spinnweben und eine tintige Schwärze, die den Lichtstrahl aufsog. Der Keller von Costins Laden war direkt dahinter. Vielleicht konnte er durch den Schacht dort hineingelangen.
»Wenn das Ding zur Belüftung dient, warum spüre ich dann keinen Luftzug?«
»Weil vor ungefähr fünfzig Jahren die ganzen Gebäude hier ein durchgängiges Dach bekommen haben. Wahrscheinlich hört der Schacht jetzt einfach irgendwo auf. Du verschwendest deine Zeit, Jack. Außerdem sieht es dir gar nicht ähnlich, dich in so etwas reinziehen zu lassen.«
»Ich schulde es jemandem, wenigstens einen Versuch zu machen.«
Jack schlang eine Schnur um den Kopf der Taschenlampe, knotete sie zusammen und hängte sie sich um den Hals, sodass sie über seiner Brust baumelte und sein Gesicht beschien. Eine Bergmannslampe wäre natürlich besser gewesen, aber so musste es auch gehen. Er streifte sich ein Paar schwere Arbeitshandschuhe über.
»Bleib bitte in der Nähe, ja? Für den Fall, dass ich stecken bleibe.«
Julio setzte sich auf ein paar Kisten mit chinesischem Importbier.
»Keine Angst. Ich werd einfach hier warten.«
Jack holte tief Luft, stieß dann alles wieder aus und quetschte sich durch die Öffnung. Er hasste enge Räume. Vor allem dunkle enge Räume. Er richtete sich in dem rechteckigen Schacht auf. Die morsche Backsteinwand war unverputzt und rissig. Er stemmte die Hände gegen die entgegengesetzten Wände des Schornsteins, stieß die Seite seines Schuhs in eine der zahlreichen Einkerbungen und begann mit dem Aufstieg.
Ein langer Aufstieg – drei Stockwerke hoch, wobei ein tiefer, mörderischer Absturz bei jedem Fehltritt drohte. Und oben wartete dann die gar nicht so unwahrscheinliche Möglichkeit, dass der Schacht einfach zugemauert sein könnte.
Das war er aber nicht. Als Jack oben anlangte, fand er eine einen halben Meter breite Lücke zwischen
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